Wir machen uns stark für Kinder

Kinderrechte ins Grundgesetz

Resolution der GJW-BUKO vom November 2020

Das Gemeindejugendwerk (GJW) des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland (BEFG) beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema „Kinderrechte“. Als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der evangelischen Jugend in Deutschland (aej) unterstützen wir schon lange die Forderung: „Kinderrechte ins Grundgesetz!“

Aus diesem Grund haben wir erfreut zur Kenntnis genommen, dass der Koalitionsvertrag 2018 der Bundesregierung folgenden Abschnitt enthält:

 „Wir werden Kinderrechte im Grundgesetz ausdrücklich verankern. Kinder sind Grundrechtsträger, ihre Rechte haben für uns Verfassungsrang. Wir werden ein Kindergrundrecht schaffen. Über die genaue Ausgestaltung sollen Bund und Länder in einer neuen gemeinsamen Arbeitsgruppe beraten und bis spätestens Ende 2019 einen Vorschlag vorlegen.“

Inzwischen hat das Bundesjustizministerium auf Grundlage des Berichts einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe einen Gesetzentwurf hierzu vorgelegt. Danach soll ein neuer Absatz 1a in Artikel 6 eingefügt werden:

„Jedes Kind hat das Recht auf Achtung, Schutz und Förderung seiner Grundrechte einschließlich seines Rechts auf Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit in der sozialen Gemeinschaft. Das Wohl des Kindes ist bei allem staatlichen Handeln, das es unmittelbar in seinen Rechten betrifft, angemessen zu berücksichtigen. Jedes Kind hat bei staatlichen Entscheidungen, die seine Rechte unmittelbar betreffen, einen Anspruch auf rechtliches Gehör.“

(Stand 12.01.2021, nicht Teil der von der BUKO verabschiedeten Resolution: Eine Arbeitsgruppe von CDU, CSU und SPD, zu der auch Innenminister Horst Seehofer und Justizministerin Christine Lambrecht zählen, hat sich nun auf diese Formulierung geeinigt: "Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt.")

Als GJW begrüßen wir ausdrücklich, dass der Ankündigung im Koalitionsvertrag nun Taten gefolgt sind. Allerdings sind wir – wie viele andere Akteure aus der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen – der Meinung, dass der vorgelegte Gesetzentwurf hinter die in der UN-Kinderrechtskonvention festgelegten Rechte zurückfällt. Er riskiert, keine Verbesserung der Lebenssituation von Kindern in Deutschland zu erreichen. Folgende Kritikpunkte haben wir:

  1. Das Wohl des Kindes bei allem es betreffenden staatlichen Handeln sollte nicht nur „angemessen“, sondern „vorrangig“ oder „wesentlich“ berücksichtigt werden.

  2. Es reicht keineswegs, dass Kinder „einen Anspruch auf rechtliches Gehör“ bekommen sollen. Das Recht des Kindes auf Beteiligung als Grundprinzip der UN-Kinderrechtskonvention kommt in einer solchen Formulierung nicht deutlich genug zum Ausdruck.

Insofern hoffen wir darauf, dass das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren in diesen Punkten noch deutliche Verbesserungen hervorbringt.

Zugleich distanzieren wir uns ausdrücklich von allen Versuchen, das Projekt „Kinderrechte ins Grundgesetz!“ zu verhindern oder inhaltlich noch weiter abzuschwächen.

Denn:

  • Von der Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz versprechen wir uns, dass sehr viel stärker als bisher die Verantwortung von Staat und Eltern deutlich wird, sich bei der Wahrnehmung ihrer Rechte und Pflichten gegenüber Kindern am Vorrang des Kindeswohls zu orientieren.

  • Wir erwarten, dass der Staat sich stärker in die Pflicht genommen weiß, seine Verantwortung für kindgerechte Lebensverhältnisse und gleiche Entwicklungschancen für alle Kinder und Jugendlichen wahrzunehmen.

  • Wir hoffen, dass die Konsequenzen staatlicher Maßnahmen und Gesetze für die kindlichen Interessen besser beachtet und die Kinder stärker beteiligt werden als bisher. Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bei allen sie betreffenden Entscheidungen kann nicht mehr willkürlich ermöglicht oder verweigert werden.

  • Wir gehen davon aus, dass die Verankerung des Rechtes der Kinder auf Schutz vor Gewalt, Vernachlässigung und Ausbeutung im Grundgesetz den Kinderschutz und das Recht der Kinder auf eine gewaltfreie Erziehung stärkt.

  • Eltern werden daran erinnert, dass ihre im Artikel 6 verankerten Befugnisse gegenüber ihren Kindern vor allem das Recht der Kinder auf Erziehung und Pflege sichern sollen.

  • Außerdem geht von der Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz eine Signalwirkung aus, Kinder in der öffentlichen Meinung sowie in der täglichen Praxis in Elternhaus, Schule, öffentlichen Einrichtungen, Verwaltung und Politik stärker als eigenständige Persönlichkeiten mit eigenen Rechten zu achten und zu beteiligen.

Alle Staaten der Welt – mit Ausnahme der USA – haben die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert. Einige – zum Beispiel Norwegen, Belgien, Irland, Spanien, Österreich und Südafrika – haben inzwischen ihre Verfassungen dahingehend geändert, dass sie nunmehr explizit auf die Rechte der Kinder nach der UN-Kinderrechtskonvention hinweisen bzw. ihre Grundprinzipien verankern. Auch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union räumt Kindern in Artikel 24 diese Rechte ein. Es wird Zeit, dass die Bundesrepublik Deutschland diesen guten Beispielen folgt!