Vom Verlieren - Der GJW-Filmtipp im Januar

Diesmal geht es in unserem Filmtipp ums Verlieren und Loslassen. Wann können, wann sollen und wann wollen wir jemanden gehen lassen? Und welche Wege gibt es, mit diesen Verlusten umzugehen?


Familienfieber
(Kinostart: 15 Januar 2015)

Nico Sommers zweiter Kinofilm „Familienfieber“ ist in erster Linie auf Grund seiner Entstehungsgeschichte interessant: Das Drehbuch passte nämlich auf eine einzige DinA4-Seite und ist größtenteils improvisiert. Welchen Einfluss dies auf die Glaubwürdigkeit der Charaktere und die Authentizität der gesamten Inszenierung hat, ist nicht nur erstaunlich, sondern vor allem sehenswert.
Inhaltlich kreist auch Sommers neuestes Werk um die Generation 40 Plus. Zwei Ehepaare wachsen durch die Teenage Love Story ihrer Sprösslinge plötzlich zu einer großen Familie zusammen. Das Problem ist nur: Die Frau des einen schläft mit dem Mann der anderen und es dauert natürlich nicht lange bis diese Bombe hochgeht.
Im Kern beschäftigt sich „Familienfieber“ mit der Frage, wie Beziehungen und Ehen die Zeit überstehen, wie sich Dynamiken zwischen Menschen verändern und welche Wege es gibt, sich trotz wachsender Distanz nicht aus den Augen zu verlieren. Die kriselnden Ehen kontrastiert Nico Sommer gekonnt mit den romantischen Illusionen einer jugendlichen Liebe. Aber ist die wirklich haltbarer als eine viele Jahre währende vertrauensvolle Bindung zweier Partner? Was macht eine gute Beziehung überhaupt aus? Und muss eine Beziehung immer allen Problemen zum Trotz aufrecht erhalten werden?
Diese und ähnliche Fragen gibt uns „Familienfieber“ mit auf den Weg und eignet sich daher vor allem für Jugendliche und junge Erwachsenen, die sich mit diesen Problemen bereit identifizieren können.

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Get – Der Prozess der Viviane Amsalem
(Kinostart: 15. Januar 2015)

Wo die einen noch um ihre Ehe kämpfen will Viviane Amsalem (Ronit Elkabetz) nur eins: sich scheiden lassen. Doch das jüdische Gesetz schreibt vor, dass nur der Ehemann sich offiziell trennen kann. Die Frau jedoch muss in einem solchen Fall vor einem rein männlich besetzten Rabbiner-Gericht ihr Anliegen vortragen und sich rechtfertigen. Fünf Jahre währt Vivianes Prozess. Fünf Jahre der anhaltenden Erniedrigung und Entrechtung. Das Erschreckende: „Get – Der Prozess der Viviane Amsalem“ ist kein Historiendrama. Der Film spielt in der heutigen Zeit und gibt die aktuelle jüdische Gesetzgebung wieder!
Die nüchterne und räumlich stark begrenzte Inszenierung von Ronit Elkabetz, die nicht nur Hauptdarstellerin, sondern auch Regisseurin des Films ist, entpuppt sich durchaus als Herausforderung, weshalb „Get – Der Prozess der Viviane Amsalem“ leider erst für Jugendliche ab etwa 14 Jahren geeignet ist. Die angebotenen Themen wiederum liegen auf der Hand, doch sollte sich die Diskussion in keinem Fall ausschließlich auf die Rolle der Frau im Judentum beschränken. Vielmehr zeigt Elkabetz patriarchale Strukturen, die wir auch in unserer eigenen Gesellschaft, vielleicht gar in unserem eigenen Alltag entdecken können. Und genau hierin liegt auch das große Potential dieses Films – nicht nur für die Arbeit mit Jugendgruppen, sondern auch für jeden erwachsenen Zuschauer.

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Baymax
(Kinostart: 22. Januar 2015)

Mit „Baymax“ kommt ein etwas ungewöhnlicher Disney-Film ins Kino. Der fiktive Schauplatz San Fransokyo ist keine heile Welt voll bunter, friedliebender und fröhlich singender Figuren, sondern ein erstaunlich realistischer, mit Hilfe modernster Computertechnologie entworfener Ort. Die Geschichte kreist um den kleinen Hiro, der nach dem plötzlichen Tod seines Bruders nun mit dessen Roboter Baymax vorlieb nehmen muss. Doch die beiden werden nicht nur unzertrennliche Freunde, sondern legen auch einem fiesen Schurken das Handwerk.
Baymax ist quasi die Kinderversion der Superheldenfilme. Die Geschichte beschreitet exakt dieselben dramaturgischen Bahnen wie „Avengers“ und Konsorten, was in Anbetracht früherer Disney-Filme ein bisschen schade ist. Andererseits liegt hierin auch das Potential, ein Kinderpublikum ab 8 Jahren zu begeistern, das sich für singende Dschungeltiere bereits zu alt fühlt. Neben dem Heldenplot erzählt „Baymax“ auch eine Geschichte über Verlust. Denn Hiro ist hier nicht der einzige, der auf den Tod eines geliebten Menschen mit Wut und Rachegelüsten reagiert. Die große Moral von „Baymax“, die trotz Superheldensetting natürlich nicht fehlen darf, ist der Unsinn der Vergeltung und die Kraft der Liebe. Ja, vielleicht können wir den Roboter Baymax in einigen Momenten sogar als Jesusfigur interpretieren, die Trost spendet und sich selbstlos für das Heil der anderen aufopfert. In jedem Fall aber stellt der Film uns die Frage, wie wir mit Enttäuschungen und Verlusten umgehen (wollen) und welche Rolle unser Glaube an Jesus dabei spielt.

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Sophie-Charlotte Rieger
www.filmloewin.de