Vom Durchhalten und mutig sein - Der GJW-Filmtipp im Mai

Um die Hürden des alltäglichen Lebens zu überwinden, brauchen wir Mut und den festen Glauben daran, dass auch verschlungene und steinige Wege irgendwann zum Ziel führen. Deshalb stellen wir im aktuellen GJW-Filmtipp diesmal Filme über Menschen vor, die etwas wagen und trotz langer Durststrecken niemals aufgeben.

 

„One Chance“ -  Wackeln auf der Karriereleiter

Wir kennen ihn alle: 2007 sorgte Paul Potts dafür, dass plötzlich Menschen jeden Alters wieder Opern hören wollten. Mit „Once Chance“ kommt nun ein Bio-Pic in die Kinos, das lose auf dem Werdegang des Sängers basiert und seinen Weg vom gemobbten Dickerchen bis hin zum Weltstar nachzeichnet. Unter der Regie von David Frankel („Der Teufel trägt Prada“) ist aus dieser Geschichte eine gefühlvolle Komödie geworden, die sich vielleicht ab und an mit zu viel Kitsch lächerlich macht, schließlich aber tief zu berühren vermag.
Selbst wem Potts' Auftritt in der britischen Version von „Das Supertalent“ nicht den Atem geraubt hat, wird von der Geschichte dieses Ausnahmetalents beeindruckt sein. Immer wieder legt das Leben Paul Steine in den Karriereweg, immer wieder scheint sein Traum von der Oper zu scheitern. Dass er trotzdem weiter macht, liegt nicht (nur) in seiner eigenen Stärke begründet, sondern auch in der seiner Mitmenschen. „One Chance“ ist nicht nur eine Musikerbiographie, sondern auch ein Film über Freundschaft und Liebe, der bei allem Starrummel schließlich zur Demut aufruft. Denn Talent alleine, so zeigt uns diese Geschichte, ist noch lange nicht der Schlüssel zum Erfolg. Und was heißt es denn überhaupt, eine Gabe zu haben? Ist eine Gabe immer gleichbedeutend mit Erfolg und bedeutet ausbleibender Erfolg im Rückschluss, dass wir keine Talente besäßen? Wer entscheidet in unserem Leben denn, ob wir „die Besten“ sind und sollte das überhaupt unser Ziel sein? Wessen Urteil ist uns wirklich etwas wert?

Kinostart: 22. Mai 2014  |  Zum Trailer >>>


„Labor Day“ – Mut zur Liebe

Dass Mut nicht immer bedeutet, sich einem Gegner zu stellen, zeigt Jason Reitman’s Melodram „Labor Day“, in dem die alleinerziehende Mutter Adele (Kate Winslet) das vielleicht größte Abenteuer überhaupt wagt: die Liebe. Als der entflohene Sträfling Frank (Josh Brolin) in ihrem Haus Unterschlupf sucht, bangt sie zunächst um sich selbst und den 13-jährigen Sohn Henry (Gattlin Griffith), doch aus der anfänglichen Skepsis gegenüber dem Fremden entwickelt sich schnell Neugier, bald Interesse und schließlich Liebe.
„Labor Day“ ist ein klassisches Melodram, das sich mit Sentimentalitäten und Kitsch wahrlich nicht zurücknimmt. Doch wie schon bei den berühmten Vertreter dieses Genres in den 50er Jahren, liegt auch heute in der Übertreibung eine Chance, denn sie macht den Blick frei für das Wesentliche. „Labor Day“ ist nicht einfach nur ein Liebesfilm, in dem sich der Zuschauer emotional verlieren soll, sondern durchaus eine Geschichte, die Fragen formuliert. Primär für ein weibliches Publikum ab etwa 12 Jahren konzipiert, fragt „Labor Day“ zum Beispiel nach der Selbständigkeit der Frau. Adeles Abhängigkeit von einem männlichen Partner wird derart überbetont, dass wir uns die Frage stellen müssen, ob denn wirklich jede Frau einen Mann braucht. Welche Lebenskonzepte und -ziele gibt es für Frauen und Mädchen heute neben der Ehe denn noch? Bedeutet Liebe immer automatisch auch Abhängigkeit bzw. wie kann eine Liebesbeziehung aussehen, die nicht auf einer traditionellen Verteilung von Rollen und Aufgaben basiert?

Kinostart: 8. Mai 2014  |  Zum Trailer >>>

 

Tour du Faso – Kultur-Clash auf dem Fahrrad

Kurz bevor wir während der WM nur noch Fußball im Kopf haben, können wir uns mit „Tour du Faso“ dem Radsport widmen, genauer gesagt dem größten Radrennen von Burkina Faso und damit einer sportlichen Herausforderung, die in der Tat großes Durchhaltevermögen erfordert. Das Interessante am Dokumentarfilm von Wilm Huygen ist nicht nur die Popularität des Zweirads in diesem, wohl den meisten von uns weitgehend unbekannten, Land, sondern auch die Bedeutung eines internationalen Radrennens auf afrikanischem Boden. Wenn europäische und afrikanische Sportler gegeneinander antreten, treffen auch zwei fremde, einst durch den Kolonialismus verfeindete Welten aufeinander.
„Tour du Faso“ begleitet sowohl die Sportler aus Burkina Faso als auch ihre Konkurrenten, die unter anderem aus Deutschland stammen. In den Interviews mit den einzelnen Protagonisten offenbaren sich ganz unterschiedliche, kulturell bedingte Strategien und Probleme. So sind „unsere“ Sportler ganz ihrem Klischee entsprechend regelversessen und perfekt ausgerüstet. Die Afrikaner hingegen treten mit Fahrrädern an, die man hierzulande auf dem Flohmarkt erstehen könnte, und zweifeln trotzdem nicht an ihren Gewinnchancen. Konflikte bleiben nicht aus, doch auch wenn selbst „Sportsgeist“ unterschiedlich definiert wird, siegt am Ende der Spaß an der Sache, der auch den Zuschauer vollends mitreißt.
„Tour de Faso“ führt uns auf der einen Seite das historische und heutige Verhältnis Afrikas und Europas vor Augen, zeigt die Wunden der Kolonialisierung und stellt damit implizit auch die Frage nach den Voraussetzungen für Versöhnung und gegenseitigen Respekt. Zugleich demonstriert der Dokumentarfilm eindrücklich die Probleme interkultureller Kommunikation. Kennen wir das nicht auch? Dass wir uns über einen Fremden geärgert haben, und könnte es nicht sein, dass unser Ärger in simplen kulturellen Unterschieden begründet ist? Wann könnten andere denn über den „Deutschen“ lachen oder schimpfen? „Tour du Faso“ fragt nach dem „Wie“ der interkulturellen Begegnung und liefert gleich die Antwort: Sport. Und mit diesem Gedanken im Hinterkopf fühlt sich auch die Fußball-WM gleich noch viel schöner an!

Kinostart: 29. Mai 2014  |  Zum Trailer >>>


Sophie Charlotte Rieger (www.filmosophie.com)