Foto: C. Rommert

Reach - Bericht aus Singapur.

Christian Rommert und Robin Zabel über ihre Reise zur Baptistischen Weltjugendkonferenz

Schlaflos in Singapur
Ein Bericht von Christian Rommert


Es ist drei Uhr nachts. Ich sitze auf meinem Bett. Jetlag! Mein Körper kann zwischen Nickerchen und Nachtruhe nicht unterscheiden. Gefühlt ist Mittagszeit. Die vielen Eindrücke tun das Ihre: Tempel jeder Glaubensrichtung, die Hochhäuser, die schwüle Hitze. Morgen beginnt die 16. Baptistische Weltjugendkonferenz. Erwartet werden über 2.500 Gäste. Sie kommen aus 64 Nationen. Eine Reisegruppe des GJWs ist mit vierzig Personen aus Deutschland angereist. Ich bin einer von ihnen.  

Die letzte Konferenz dieser Art fand 2008 unter dem Titel „Dive Deeper“ in Leipzig statt. Den Weg von Deutschland nach Singapur haben Sandra Wagner und Volkmar Hamp im Vorbereitungsteam des Baptistischen Weltbundes (BWA) begleitet. Ihnen habe ich die Tatsache zu verdanken, übermorgen eine Bibelarbeit halten zu dürfen. In Englisch. Im Plenum. Ein weiterer Grund, schlecht zu schlafen. Ich gehe an die Rezeption meines Hotels und frage, wie sicher es ist, joggen zu gehen. Ich will mich müde laufen. Zuhause klappt das. „Kein Problem!“, lacht die Mitarbeiterin und ich laufe los. Ich kenne genug Länder, in denen solch eine Nachtaktion Selbstmord wäre. Doch egal zu welcher Uhrzeit: In Singapur ist es sicher. Das liegt wahrscheinlich an der abschreckenden Wirkung der drakonischen Strafen, für die das Land weltweit bekannt ist. Um erst gar nicht in die Gefahr zu kommen, mein Kaugummi auszuspucken, kaue ich keines und laufe durch die Nacht. Ich passiere die wichtigsten Wahrzeichen des Stadtstaates: das Marina Bay Sands Hotel, das Riesenrad, den Merlion. Ich laufe am Suntec Convention Center vorbei. Hier feiern wir ab morgen Gottesdienste, lernen einander im Global Village kennen, lassen uns durch Bibelarbeiten und Workshops inspirieren.

Vor allem Rachael Tan und Asha Sanchu werden bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Rachael durch ihre eindringliche Aufforderung, uns unsere Hände für eine bessere Welt schmutzig zu machen. Asha Sanchu durch ihren Bericht über ihren lebensbedrohlichen Einsatz gegen Zwangsprostitution. Der Mut dieser beiden Frauen bewegt mich. Das ist das Programm der Konferenz: sie will herausfordern, bewegen, Leidenschaft wecken. „Reach!“, heißt das Thema: „Austrecken, erreichen, sich hinwenden“. Die Vielfalt der Rednerinnen und Redner begeistert. Der Austausch in den Familiengruppen ermöglicht neue Blickweisen. Wenn Menschen aus Myanmar, Liberia und Argentinien gemeinsam tanzen und singen, reißt das selbst uns nüchterne Deutsche von unseren Stühlen. Das alles fühlt sich an wie ein kleiner Vorgeschmack auf eine Ewigkeit ohne Sprachbarrieren und kulturelle Grenzen. Am Sonnabend soll es praktisch werden: Die Initiative „Stop Hunger Now!“ hat lange Tischreihen aufgebaut. Es werden 285.000 Pakete mit Reis und Vitaminpräparaten gepackt. Diese werden in den nächsten Tagen in Südostasien an Bedürftige verteilt. „Reach – Streck Dich aus!“ Auch in Richtung derer, die unsere Unterstützung brauchen. Alle packen mit an.

Es ist drei Uhr nachts. Ich laufe durch Singapur. Vor mir liegen fünf spannende Tage. Es fühlt sich gut an, hier zu sein. Das internationale Netzwerk, in dem wir leben können. Die Verbundenheit untereinander. All das ist ein unglaubliches Geschenk für mich. Diese Gedanken halte ich fest, als ich gegen halb fünf in der Frühe erneut ins Bett falle. Morgen beginnt die Weltjugendkonferenz 2013. Fünf Tage voller Energie, bunten Gesichtern und guter Musik. Voller Erwartungen schlafe ich endlich ein.


 
Reach 2013 – sich ausstrecken
Reisebericht von Robin Zabel

 
„Reach“ (eng. sich ausstrecken) war der Titel des 16. Weltjugendkongresses der Baptisten. Gastgeber war der südostasiatische Stadtstaat Singapur, eine exotische Megacity mit 6,8 Mio. Einwohnern, atemberaubender Architektur – friedlicher Schmelztiegel islamischen, hinduistischen, christlichen und buddhistischen Glaubens und arabischer, indischer, westlicher und chinesischer Kultur.

Nach einem zwölfstündigen Flug landeten wir in der tropisch-schwülen Luft und verbrachten die ersten drei Tage mit dem Erkunden dieser pulsierenden Stadt. Für den Großteil der 40-köpfigen GJW-Gruppe waren es die ersten Schritte auf asiatischem Boden, und so wurde nicht nur das Mittagessen zu einem kulinarischen Abenteuer, sondern auch die Fortbewegung mit der computergesteuerten U-Bahn (MRT genannt) und die Tag und Nacht gleichbleibend schwül-warme Luft waren abenteuerlich. Die zufällig zusammengewürfelte Gruppe konnte sich auf den täglichen Ausflügen ein wenig kennenlernen. Bei einigen war das zwar gleich am Flughafen in Frankfurt passiert, es bildeten sich aber auch immer wieder neue Konstellationen. Wir mussten die ganzen Eindrücke erst einmal verarbeiten, und so war es ein Segen, dass die Konferenz erst am dritten Tag unseres Aufenthalts startete.

Der Eröffnungsgottesdienst im Suntec Conference Center am Mittwochabend war der Start eines intensiven Austauschs. Die Gottesdienste in englischer Sprache gestalteten Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen mit abwechslungsreichen Beiträgen. Es war eine bunte Mischung aus Pantomime, Theaterstücken, Chören und mehreren Bands aus unterschiedlichen Ländern – von Indonesien über Malaysia bis Nepal, Afrika und Amerika.

Inhaltlich drehte sich alles darum, dass die junge Generation sich nach der Welt und den Menschen ausstrecken soll. Mitunter spektakulär, mitreißend und intensiv waren die Predigten u.a. von Diana Francis (Bahamas), Lucas Leys (Argentinien), Christian Rommert (GJW Deutschland) oder auch Rachel Tan (Taiwan) – Letztere eine bemerkenswert bescheidene Frau, die bereits mehrere Überfälle aufgrund ihres Glaubens überstanden hat. Eine Waffe am Kopf, sagt die Leiterin mehrerer Frauenhäuser, sei mittlerweile Alltag in ihrem Dienst für ausgestiegene Prostituierte. Noch mehr Einsichten in die Lebenswelt anderer Jugendlicher boten die Familiengruppen, die sich einmal am Tag trafen. Hier tauschte man sich mit einer zufällig zusammengewürfelten Gruppe Gleichaltriger der verschiedensten Herkunftsländer über die offiziellen und vor allem die individuell wichtigen Themen aus. Es wurde miteinander gebetet und gesungen, man brachte sich gegenseitig kulturelle Bräuche nahe und lachte viel.

Bemerkenswert war die Erkenntnis, dass alle Teile der Welt durch eine gemeinsame Herausforderung verbunden sind: die Balance von Generationsinteressen. Jung und Alt in einer Gemeinde, das fordert weltweit Geduld und neue Lösungsansätze. Am besten ist es nach wie vor, miteinander zu reden, der ständige Austausch – also ein sich Ausstrecken über den Generationengraben.

Schön war, dass wir uns an den Abenden bei einem kühlen Getränk über das Erlebte austauschen konnten. Dafür war vor allem der Ausklang der Reise an den Stränden von Bali bestens geeignet. Die unterschiedlichen Teile der Reise haben dazu beigetragen, jedem und jeder von uns ein unvergessliches Erlebnis zu bescheren.