Heldentum mal anders! Der GJW-Filmtipp im Juli

Nicht jeder Filmheld muss Superkräfte haben, der schönste Mann oder die schönste Frau sein und die ganze Welt retten! Denn jeder Mensch – ob klein, groß, dumm, klug, rund oder schmal –  ist mit seinen individuellen Eigenheiten gleichermaßen wertvoll. Deshalb geht es im GJW-Filmtipp dieses Mal um Filme über ganz besondere Menschen und ihre kleinen großen Taten.

Der wundersame Katzenfisch (10.7.2014)
Claudia sieht auf den ersten Blick wie eine ganz normale junge Frau aus. Und eigentlich ist sie das auch. Wenn man mal davon absieht, das sie im wahrsten Sinne mutterseelenallein ist. Und das schon seit vielen Jahren. Doch dann wird die zurückhaltende Supermarktangestellte Hals über Kopf von einer fremden Familien adoptiert. Dabei haben Martha und ihre Kinder mindestens genauso mit dem Leben zu kämpfen wie Claudia, denn Martha hat Aids und nicht mehr lange zu leben. Ohne es zu merken, wird Claudia zum unverzichtbaren Teil der kleinen Gemeinschaft, doch kann sie wirklich auch Teil dieser Familie werden?
„Der wundersame Katzenfisch“ ist ein berührender Film, der trotz seines schwierigen Themas vor allem Optimismus und Liebe transportiert. Er zeigt eine Familie in der Krise: die Mutter ist todkrank, eine Tochter verletzt sich selbst, der Sohn macht immer noch ins Bett. Inmitten dieser Tragik wirkt die stets hilfsbereite Claudia zuweilen wie ein Engel, was ihre Figur schwer zugänglich macht. Regisseurin Claudia Sainte-Luce verzichtet auf künstliche Dramatik, was ihren Film zuweilen etwas in die Länge zieht, jedoch dem respektvollen Umgang mit den schwierigen Themen zu Gute kommt.
„Der wundersame Katzenfisch“ erzählt von Solidarität über die Grenzen von Blutsverwandtschaft hinaus und ist damit auch eine groß Mär von der Nächstenliebe. Alle Beteiligten müssen einander helfen, um durch die Zeit der Krise zu gehen. Auf welche Menschen können wir uns verlassen, wenn es uns schlecht geht? Ist nicht unsere Glaubensgemeinschaft auch eine Familie, in der wir aufeinander achten? Neben diesen Fragen bietet „Der wundersame Katzenfisch“ aber natürlich auch Gelegenheit über die Themen AIDS und HIV zu sprechen.

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Wüstentänzer – Afshins verbotener Traum von Freiheit (Kinostart 03.07.2014)

Dass der Begriff „Sonderling“ immer auch vom sozialen Umfeld abhängt, beweist auf eindrückliche Weise der Film „Wüstentänzer – Afshins verbotener Traum von Freiheit“ von Richard Raymond, der die wahre Geschichte des iranischen Tänzers Afshin Ghaffarian erzählt. Weil das Tanzen im Iran verboten ist, müssen er und seine kleine Gruppe von Mitstreitern heimlich trainieren. Doch spätestens als Afshin entscheidet, eine geheime Vorstellung in der Wüste zu geben, schweben alle in Lebensgefahr.
Bedauerlicher Weise ist „Wüstentänzer – Afshins verbotener Traum von Freiheit“ eine sehr amerikanische Inszenierung geworden, die dem Stoff mit viel romantischem Kitsch den Realismus raubt. Gleichzeitig hat Richard Raymond damit aber auch einem breiteren und jüngeren Publikum den Weg zu dieser wichtigen Geschichte geebnet und einen insgesamt eher seichten, aber durchaus politischen Tanzfilm für Jugendliche ab 12 Jahren geschaffen.
Aus dem Unterverständnis darüber, dass so etwas Unschuldiges wie Tanz verboten sein kann, weckt „Wüstentänzer – Afshins verbotener Traum von Freiheit“ beim Zuschauer Interesse für die Situation im Iran und den dortigen Gottesstaat. Gleichzeitig zeigt der Film Eindrucksvoll, wie Menschen durch scheinbar triviale Verbote wie das des Tanzes ihrer Freiheit und auch ihres Ausdrucks beraubt werden und lädt dazu ein, sich über den eigenen Freiheitsbegriff und –anspruch Gedanken zu machen.

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Rico, Oskar und die Tieferschatten (10.7.2014)

„Mein Name ist Rico und ich bin ein tiefbegabtes Kind“ – so stellt sich der Held dieses bezaubernden Kinderfilms selbst vor. Tatsächlich ist Rico nicht der Schnellste, wenn es darum geht, komplexe Sachverhalte zu erfassen. Und mit links und rechts hat er auch seine Probleme. Dafür sammelt er gerne und gut Dinge, die auf der Straße rumliegen. Auf der Suche nach seiner Fundnudel trifft er dann auf Oskar, der wiederum ein hochbegabtes Kind ist. Die beiden werden beste Freunde und legen schließlich sogar dem gefürchteten Entführer Mister 2000 das Handwerk.
„Rico, Oskar und die Tieferschatten“ besticht durch seine charmante kindgerechte Inszenierung, die durch die hochkarätig besetzten Erwachsenenrollen (Karoline Herfurth, Ronald Zehrfeld, Axel Prahl, Milan Peschel) auch den Großen etwas zu bieten weiß. Neele Leena Vollmar gelingt die schwierige Gradwanderung zwischen einer nervenaufreibenden und infantilisierenden Darstellung: Ihr Film ist zugleich temporeich und lustig, wie auch problemlos für Grundschulkinder geeignet.
Das zu Grunde liegende Thema dieser Geschichte ist natürlich Ricos „Tiefbegabung“, die nach dem Film durchaus in Frage zu stellen ist. Schließlich trägt er erheblich zur Festnahme des Übeltäters bei. So formuliert „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ die Frage nach der Notwendigkeit dieser Schubladen: Was soll das eigentlich heißen, hoch- oder tiefbegabt zu sein? Haben wir nicht alle ganz unterschiedliche Begabungen? Sind manche Begabungen wirklich besser als andere oder kommt es nicht vielmehr darauf an, seine (gottgegebenen) Gaben richtig einzusetzen?

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Sophie Charlotte Rieger
www.filmosophie.com