Der GJW-Filmtipp im September: "Darüber spricht man nicht!"

Die Kino-Tipps für den September brechen mit Tabus, denn hier geht es um Themen, die wir normalerweise nicht offen besprechen: Tod, Magersucht und Sexualität.

 

Am Ende ein Fest

Wann ist ein Leben lebenswert? Haben wir als Menschen das Recht, ein vermeintlich nicht lebenswertes Leben zu beenden? Um diese und andere ethische Fragen kreist die aktuelle Euthanasie-Debatte. Ein ernstes Thema, an dem sich die Geister scheiden. Das israelische Regie-Duo Tal Granit und Sharon Maymon wählt dafür jedoch einen ganz anderen Ansatz und erzählt eine überraschend lustige Geschichte zum Thema Sterbehilfe.
Das Ehepaar Yehezkel (Ze'ev Revach) und Levana (Levana Finkelstein) lebt in einer Seniorenresidenz. Die Nachbarn sind schon lange zu engen Freunden geworden. Man unterstützt sich mit Trost und Zuspruch ebenso wie mit Taten. Als der schwerkranke Ehemann einer Bekannten um Erlösung bittet, erklärt sich der ehemalige Ingenieur Yehezkel daher dazu bereit, ihm durch die Konstruktion einer Sterbehilfemaschine in den Tod zu helfen. Trotz emsiger Bemühungen, diese riskante Aktion geheim zu halten, macht die Nachricht schnell die Runde und immer mehr Menschen wenden sich in ihrer Verzweiflung an Yehezkel und seine Mitstreiter_innen, um einem geliebten Menschen ein sanftes Dahinscheiden zu ermöglichen. Im Trubel der Ereignisse jedoch droht Yehezkel die fortschreitende Demenz seiner Ehefrau völlig zu unterschätzen.
Auch wenn „Am Ende ein Fest“ durchgehend als Komödie inszeniert ist, wird das Thema Sterbehilfe hier sehr ernst genommen und keineswegs verlacht. Dabei ermöglicht der locker-leichte Umgang mit dem sonst so schweren Thema auch einem jungen Publikum ab 12 Jahren den Zugang zu dieser ungemein berührenden Geschichte.

Kinostart: 24. September 2015
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Stella
Wenige Lebensphasen sind derart herausfordernd wie die Pubertät. Plötzlich fühlt sich alles anders an, vor allem unser Körper. Wir beginnen, uns durch die Augen der anderen zu sehen, uns zu vergleichen, und entdecken dabei vermeintliche Makel, die uns zuvor nicht bewusst waren. Die kleine Stella (Rebecka Josephson) zum Beispiel schämt sich für ihren Damenbart (den sie eigentlich gar nicht hat). Und das alles nur wegen eines dummen Scherzes ihrer großen Schwester Katja (Amy Diamond). Die wiederum hat deutlich schwerwiegendere Probleme mit ihrem Körper: Für eine Karriere als Eiskunstläuferin hungert und trainiert sie sich bis an ihre physischen und emotionalen Grenzen.
Doch „Stella“ ist keine Geschichte über ein magersüchtiges Mädchen, sondern über die Schwester eines magersüchtigen Mädchens. Indem sie den Fokus von Katja auf Stella verschiebt, verhindert Regisseurin Sanna Lenken einen elendsvoyeuristischen Blick und verleiht ihrem Film größere Komplexität als dies ein stringentes Anorexie-Drama erreichen könnte. Denn es geht hier nicht primär um die psychische Erkrankung der älteren Schwester, sondern um den Coming of Age Prozess der jüngeren.
Damit kann „Stella“ auch eine Vielfalt an Anknüpfungspunkten bieten. Neben der Frage, wie mit dem Thema Magersucht/Bulimie umzugehen sei, stellt „Stella“ vor allem unsere Identitätsfindung zur Diskussion: Wie und nach welchen Maßstäben bewerten wir uns und unseren eigenen Körper? Und wie können wir uns von diesen fremden Bewertungen unabhängig machen? Das sind nur einige der vielen Fragen, die „Stella“ im Kontext der Kinder- und Jugendarbeit aufwerfen kann.
Bei der Berlinale 2015 lief „Stella“ in der Sektion „Generation14+“, ist also für ein jugendliches Publikum ab 14 Jahren geeignet.

Kinostart: 24. September 2015
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Sprache:Sex

Sex gehört nicht unbedingt zu den Gesprächsthemen, die selbstverständlich beim Nachmittagskaffee aufkommen. Meist beschränkt sich die Kommunikation über diesen Teil des Lebens aufs Notwendigste, bemüht sich um Verschleierungen à la Bienchen und Blümchen und findet ohnehin nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Mit „Sprache:Sex“ brechen Saskia Walker und Ralf Hechelmann mit diesen unausgesprochenen Regeln. Ihr Dokumentarfilm besteht ausschließlich aus Einzelinterviews, in denen sich die Protagonist_innen zu ihrer eigenen Sexualität äußern und Überlegungen zu diversen, hiermit verknüpften Themenkomplexen anstellen. Was heißt Beziehung? Funktioniert eine Beziehung ohne Sex oder Sex ohne Beziehung? Wie hat sich die eigene Sexualität entwickelt und wie soll sie zukünftig gelebt werden?
„Sprache:Sex“ ist ein toller Einstieg, um mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen, denn hier berichten Menschen auf sehr natürliche und authentische Weise von ihrer eigenen Sexualität. Der Film motiviert zu einem offenen und freien Umgang mit dem Thema und ebnet den Weg zur Reflexionen über die eigenen Vorstellungen von Beziehung, Liebe und Sexualität.

Kinostart: 10. September 2015
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Sophie-Charlotte Rieger
www.filmloewin.de