Der GJW-Filmtipp im März!

Passend zum Fastenmotto der evangelischen Kirche „Selber Denken! „7 Wochen ohne falsche Gewissheit“ fordern uns die aktuellen Filmtipps, zum Nachdenken, vielleicht sogar zum Umdenken in der Religion, der Liebe und der Politik auf.

Kreuzweg – Wie fromm wollen wir sein?
Maria (Lea van Acken) steht kurz vor ihrer Firmung. Im Gegensatz zu vielen anderen Teenagern ist das für sie keine Freizeitunternehmung. In einer streng katholischen Familie aufgewachsen, ist das Mädchen in der christlichen Lehre tief verwurzelt. Ihre Überlegungen kreisen stetig um die eigene Sündhaftigkeit, die dem Spannungsfeld zwischen den normalen Empfindungen einer Heranwachsenden und der religiösen Dogmen entspringt, denen sie sich selbst unterwirft. Ihre größte Sorge gilt jedoch dem kranken Bruder, für dessen Heilung sie Gott ihr eigenes Leben zum Opfer anbieten möchte.
Regisseur Dietrich Brüggemann zeichnet die Tage bis zu Marias Firmung als Passionsweg nach, den er bewusst als Parallele zu den letzten Tage Jesu inszeniert. Die strenge Form des Films spiegelt das Regelkorsett wider, in dem sich die Heldin befindet, bricht aber auch mit den Sehgewohnheiten des Kinozuschauers. Dies und die emotional aufrührende Geschichte der selbst ernannten Märtyrerin machen den Film für ein sehr junges Publikum ungeeignet. Ohnehin erschließt sich Marias Situation wohl am Besten Jugendlichen ihres Altersabschnitts, also ab etwa. 14 Jahren.
„Kreuzweg“ bietet zahllose Anknüpfungspunkte für ein Gespräch mit Jugendgruppen. Zu allererst die Auseinandersetzung mit der eigenen Religion: Welche Ideen und Vorstellungen übernehmen wir, ohne sie zu hinterfragen? Welche wollen, welche wollen wir nicht überdenken? Marias Probleme spiegeln, wenn auch zu einem übersteigerten Grat, die Fragen vieler junger Christen wieder: Die Sehnsucht nach Anerkennung durch Eltern und Mitschüler, die Neugier nach dem anderen Geschlecht und das Interesse an Musik und Popkultur können durchaus in Konflikt mit der christlichen Lehre treten. Hinter all dem steht letztlich auch die Frage: Wir fromm wollen wir eigentlich sein? 

Trailer: www.youtube.com/watch


Her – Was ist Liebe?
Nach der Trennung von seiner Noch-Ehefrau Catherine (Rooney Mara), hat sich Theodore (Joaquin Phoenix) von der Welt zurückgezogen. Statt sich mit seiner besten Freundin Amy (Amy Adams) zu treffen, spielt er lieber Videospiele. Sein Leben ändert sich von Grund auf, als er sich ein neues, individualisiertes Betriebssystem zulegt. Samantha, wie sich die Computerstimmte selbst nennt, entpuppt sich als empfindsames, wenn auch körperloses Wesen, das Theodore mit neuem Lebensmut ansteckt und bald auch romantische Gefühle in ihm weckt. Doch kann eine Beziehung zwischen Mensch und Maschine wirklich funktionieren?
Diese in einer nahen Zukunft angesiedelte Liebesgeschichte wirkt auf den ersten Blick absurd: Wer würde sich schon in einen PC verlieben? Doch es ist nicht von der Hand zu weisen, dass wir schon längst intime Beziehungen mit unseren Computern führen. Regisseur Spike Jonze gelingt die Gestaltung eines überzeugenden Science Fiction Szenarios gerade dadurch, dass er sich stets an unserer Gegenwart orientiert. Das Thema virtueller Welten und ihrer Technologien ist zwar heute schon den ganz Kleinen vertraut, doch dürfte diese weitgehend ruhig erzählte Liebesgeschichte am ehesten
Jugendliche ab 16 Jahren so richtig mitreißen. 
Samanthas Fragen nach der Natur menschlicher Beziehungen bringen Theodore und uns zum Nachdenken. Was heißt es eigentlich, jemanden zu lieben oder verheiratet zu sein? Indem die körperliche Ebene hier keine Rolle spielen kann, werden diese Fragen auf ihren Kern zurückgeführt. Gleichzeitig fordert uns „Her“ auch dazu heraus, unsere Definition von Liebesbeziehung zu hinterfragen. Ist die Verbindung zwischen Mensch und Maschine unmoralisch? Welche Beziehungen sind in unseren Augen legitim und welche nicht und haben wir das überhaupt zu entscheiden?

Trailer: www.youtube.com/watch


Population Boom – Ist auf dieser Welt jemand zu viel?
In seinem Dokumentarfilm „Population Boom“ geht Regisseur Werner Boote einem Mythos nach, den wohl die wenigstens von uns als solchen verstehen: dem Phänomen der Überbevölkerung. Was als Ursachensuche beginnt, entwickelt sich zur Desmaskierung einer politischen Rhetorik, die uns weißmachen möchte, dass sich die Probleme unserer Welt auf einen Menschenüberschuss reduzieren ließen. Mit zahlreichen Gesprächspartnern erörtert Boote die Frage nach der richtigen Bevölkerungspolitik und kommt zu einem überraschenden Ergebnis.
Für seinen Film reist Werner Boote einmal um die ganze Welt. So gibt „Population Boom“ auch Einblicke in uns fremde Lebenswelten. Durch seinen persönlichen Ansatz nimmt Boote uns mit auf seine ganz persönliche Entdeckungsreise. Auch wenn sein Voice Over die Zusammenhänge verständlich darlegt, erschweren die Informations- und Dialoglast des Films doch jüngeren Zuschauern den Zugang zur Thematik. „Population Boom“ ist ein Film für interessierte Jugendliche ab 14 Jahren, die dazu bereit sind, sich ernsthaft und intensiv mit dem Phänomen Überbevölkerung auseinanderzusetzen.
Eine thematische Vorbereitung des Films ist mit Sicherheit sinnvoll. Die Gesprächsthemen liegen dabei auf der Hand. Doch neben den offensichtlichen, durch den Film selbst formulierten Fragen, kann eine Diskussion des Films auch eine andere Richtung einschlagen. Denn woher nehmen wir denn unsere Informationen über Phänomene wie Überbevölkerung? Wer streut sie, welche Interessen könnten dahinter stehen und warum tun wir uns eigentlich so schwer damit, sie zu hinterfragen?

Trailer: www.youtube.com/watch?v=aYYAXT1fs7g




Sophie Charlotte Rieger
www.filmosophie.com