Der GJW Filmtipp im Juli: Hoffnung in der Krise

Die Krisen unserer Welt sind mannigfaltig. Sie schlummern im politischen wie im privaten Bereich und drohen uns zuweilen zu erdrücken. Damit wir trotzdem nicht die Hoffnung verlieren, stellt der GJW-Filmtipp diesmal drei sehr unterschiedliche filmische Versionen der Krisenbewältigung vor.

Heil

Ist es legitim, dem Problem der zeitgenössischen Fremdenfeindlichkeit mit Humor zu begegnen? Darf ein Film sich über deutsche Neonazis lustig machen? Regisseur Dietrich Brüggemann hat darauf eine eindeutige Antwort: Ja! Aber seine Satire „Heil“, in der ein dunkelhäutiger Starautor zur Marionette einer brandenburgischen Rechtspartei wird, hat es nicht nur auf die heutigen Nazis abgesehen. Hier kriegen alle ihr Fett weg: Medien, Bundeswehr, Antifa, hippe Kleinfamilien, Verfassungsschutz, Politiker... Der entlarvende Rundumschlag zeigt: Wir alle sind Teil des Phänomens „Alltagsrassismus“.
Politisch korrekten Humor darf hier also niemand erwarten. Brüggemann geht in seinem Drehbuch alles andere als subtil vor. Die Charaktere sind überzeichnet, der Humor nicht immer niveauvoll und das Tempo rasant, um nicht zu sagen chaotisch. Immer wieder muss sich das Publikum fragen, in welch haarsträubende Klamotte es hier hineingeraten ist, wird damit aber zugleich gezwungen, nach Antworten zu suchen.
„Heil“ bietet sich auf Grund seines leicht zugänglichen Humors und der dynamischen Handlung auch für ein junges Publikum ab 10 Jahren an. Es empfiehlt sich jedoch, insbesondere mit jüngeren Kindern, vorab den Begriff „Satire“ zu klären, um im Anschluss in eine Diskussion über die Funktion und Möglichkeiten satirischer Komik zu kommen. Worüber darf man eigentlich lachen? Ebenso bietet es sich an, die zahlreichen Beispiele für Alltagsrassismus, sowie die kritischen Positionen zu verschiedenen gesellschaftspolitischen Themen aufzugreifen, mit eigenen Erfahrungen abzugleichen und zu erweitern.
Und worüber würden wir eine Satire drehen? Welche Themen brennen uns unter den Nägeln und wie könnten wir sie satirisch verpacken?

Kinostart: 16.7.2015
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Taxi Teheran

Von Deutschland geht es nach Teheran, einem Land, in dem das Filmemachen ausschließlich jenen vorbehalten ist, die in ihren Werken die Meinung der Regierung unkritisch wiederspiegeln. Wer sich wie Jafar Panahi nicht daran hält, wird mit einem Berufsverbot belegt. Dennoch produziert der iranische Regisseur weiterhin Filme, in denen er sich auch mit seiner Situation als Gefangener im eigenen Land auseinandersetzt.
In „Taxi Teheran“ spielt Jafar Panahi sich selbst. Während er als Taxifahrer verschiedene Gäste durch die Stadt chauffiert, verschränken sich Realität und Fiktion untrennbar miteinander. Die kritische Betrachtung des Irans und der dortigen Politik geschieht wie nebenbei, drückt sich mal mehr, mal weniger subtil in den Dialogen der Passagiere mit dem Fahrer aus und verliert zu keinem Zeitpunkt ihre subjektive und persönliche Note.
„Taxi Teheran“ ist sowohl inhaltlich als auch formal ein Beispiel für Kunst im Klima der Zensur: Um möglichst unauffällig in der Öffentlichkeit filmen zu können, sind die kleinen Kameras im Inneren des Taxis montiert und werden von Panahi deutlich sichtbar selbst bewegt.
Jafar Panahis Film bietet eine Fülle an spannenden Gesprächsthemen für Jugendliche ab 12 Jahren. Zum Beispiel über die politische Situation im Iran, über den Religionsstaat als politisches System, über die Bedeutung der Freiheit, des freien Ausdrucks und der Kunst als subversives Element in einem restriktiven System.
 
Kinostart: 23. Juli 2015
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About A Girl

Die Pubertät ist die vielleicht schwierigste Phase des Lebens. Plötzlich sind wir mit einer Flut neuer Probleme konfrontiert, sehen unseren Körpern bei unheimlichen Metamorphosen zu und müssen, gefühlt von einem Tag auf den anderen, Verantwortung für uns und unser Leben übernehmen. Da sollte es doch wirklich niemanden wundern, dass Charleen, die Heldin von „About A Girl“, darauf keine Lust hat und kurzerhand beschließt, sich das Leben zu nehmen.
Der Film von Debutregisseur Mark Monheim ist eine glaubwürdige und authentische Nachzeichnung der klassischen Adoleszenzkrise und nimmt nicht nur Charleens Verlorenheit, sondern auch die Reaktion ihres familiären Umfelds und Freundeskreises in den Blick. Ohne jegliche Scheu vor Themen wie Selbstmord, Depression oder auch Homosexualität nimmt „About A Girl“ sein jugendliches Zielpublikum mit all seinen Problemen durch und durch ernst. Die tragischkomische Inszenierung bietet dabei sowohl Anlass zum Schmunzeln als auch zum Nachdenken. Warum ist es eigentlich so peinlich zu einem Therapeuten zu gehen? Warum schämen wir uns für unsere Sinnkrisen und behalten sie für uns? Was bedeutet es eigentlich, „erwachsen“ zu werden? Was geschieht nach dem Tod und kommen Selbstmörder wirklich nicht in den Himmel?
Neben all diesen Fragen ist die wichtigste Botschaft von „About A Girl“ jedoch die Tatsache, dass unser Leben uns niemals einfach nur passiert, sondern dass wir aktiv eingreifen und es nach unseren Vorstellungen gestalten können. Daraus wiederum ergibt sich die spannende Frage: Was muss ich akzeptieren, worum lohnt es sich zu kämpfen und was ist in diesem Kontext eigentlich ein Sieg?

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Kinostart: 6. August 2015

 

Sophie-Charlotte Rieger
www.filmloewin.de