Die Macht des Bösen

Ein Thema für den Kindergottesdienst?

Von Volkmar Hamp  |  Erschienen in HERRLICH 01|2023, Seiten 46-50  |  8:55 MIN  

Im Plan für den Kindergottesdienst für 2023 gibt es u.a. eine Themenreihe „Von der Macht des Bösen“. In unserer KiGo-App „Miteinander Gott entdecken“ finden sich drei Einheiten dazu. Aber ist das eigentlich ein Thema für Kinder? Im Folgenden drucken wir einen Auszug aus diesen Entwürfen ab (die Einführung und die erste Einheit zu 1. Mose 3). Das vollständige Material finden Abonnent*innen der KiGo-App unter www.mge-app.de

Wer kein Abo hat, findet weiteres Material zu diesem Thema auf der GJW-Homepage zum Download (www.gjw.de/herrlich/2023_01/04).

Einführung 

Die Frage nach Gut und Böse, Richtig und Falsch, Recht und Unrecht begegnet Kindern schon im Vorschulalter. Ihr Verhältnis dazu, Gewissen, Moral und Ethik, entwickeln sich in den Jahren bis zur Pubertät zusammen und in Wechselwirkung mit anderen Entwicklungsdimensionen: der Persönlichkeit, des Denkens, der sozialen und emotionalen Intelligenz. Der Kindergottesdienst kann hier, wie in vielem anderen auch, ein wichtiger Impulsgeber sein. Deshalb ergibt es Sinn, sich in diesem Rahmen auch mit der Frage nach Gut und Böse zu beschäftigen. Zumal diese Frage zu den grundlegenden Themen der biblischen Überlieferung gehört.

Das beginnt auf den ersten Seiten der Bibel mit der Geschichte von der Vertreibung aus dem Paradies (1. Mose 3) und dem ersten Brüderpaar: Kain und Abel (1. Mose 4,1-16a). Darum stehen diese beiden Erzählungen am Anfang unserer Themenreihe. Sie werden ergänzt durch die neutestamentliche Geschichte von dem besessenen Gerasener (Lukas 8,26-39). So spannt sich der Bogen von der Erkenntnis des Bösen (1. Mose 3) über das Leben mit dem Bösen (1. Mose 4,1-16a) zur Erlösung von dem Bösen (Lukas 8,26-39).

Gut und Böse ist von Anfang an Teil der Lebenswelt unserer Kinder. Auch wenn sie einigermaßen behütet aufwachsen, erleben sie, dass die Welt kein Paradies ist. Sie hören von Bösem, das anderen Menschen widerfährt. Sie erleben Bösartigkeiten unterschiedlicher Art und verschiedenen Grades am eigenen Leib. Und manchmal erleben sie auch sich selbst als böse, zum Beispiel wenn unbeherrschbare Wut oder rasende Eifersucht sie überkommt. Dass man zum Bösen verführt werden kann, dass das Böse uns überwältigen und Macht über uns gewinnen kann, können sie nachvollziehen. Sie begreifen auch, dass dem Bösen Grenzen gesetzt werden müssen und warum wir im Vaterunser um Bewahrung vor Versuchung und Erlösung von dem Bösen bitten (Mt 6,13).

Ideen zur Verknüpfung mit dem Gemeindeleben:

Die Themenreihe „Von der Macht des Bösen“ ist in der Passionszeit platziert. Der Sonntag Reminiszere erinnert an Gottes Barmherzigkeit, Okuli daran, auf Jesus zu sehen und ihm nachzufolgen, Lätare an die Freude über die Überwindung des Bösen durch den Tod Jesu am Kreuz. Vielleicht lassen sich hier Verknüpfungen zu Gottesdiensten oder Passionsandachten in der Gemeinde schaffen.

Auch parallele Themenabende wären denkbar, zum Beispiel zum Umgang mit dem Bösen in Kirche und Gesellschaft oder zur Vermittlung von Werten in der Erziehung von Kindern und Jugendlichen.

 

1. Mose 3: Die Vertreibung aus dem Paradies – Gut und Böse erkennen


Vorbemerkungen

„Von der Macht des Bösen“ heißt die Themenreihe, deren erste Geschichte (1. Mose 3) vom verlorenen Paradies erzählt. Diese Geschichte gehört zur sog. „Urgeschichte“ der Bibel (1. Mose 1-11). Das heißt: Sie erzählt nicht, was irgendwann einmal in grauer Vorzeit geschehen ist. Sie beschreibt, was immer und überall gilt: dass der Mensch, weil er den Kontakt zu seinem Schöpfer verloren hat, schuldig wird: an sich selbst, an seinen Menschenbrüdern und Menschenschwestern und damit auch an Gott. Er fällt aus der selbstverständlichen Gemeinschaft mit Gott und muss „jenseits von Eden“ leben.

Das griechische Wort parádeisos (= „Paradies“) ist ein Lehnwort aus dem Altiranischen und bedeutet „eingezäunte Fläche“ oder „umzäunter Park“. Verwandt ist das hebräische Wort pardes, das einen von einem Wall umgebenen Baumpark meint. In 1. Mose 3 ist dieser „Park“ im Hebräischen der „Garten Eden“. „Eden“ aber bedeutet „Wonne“ oder „Wonneland“.

Die Frage, wie das Böse in dieses „Land der Wonne“ kommen konnte, stellt der Bibeltext nicht. Es ist einfach da. Die Schlange ist Teil der guten Schöpfung Gottes. Sie gehört zu dem „lebendigen Getier“, das die Erde auf Gottes Geheiß hin hervorgebracht hat (1. Mose 1,24-25). Die Möglichkeit, Böses zu tun, ist in der Gott-Ebenbildlichkeit des Menschen begründet. Zu dieser gehört auch die Freiheit, zwischen Gut und Böse unterscheiden und wählen zu können. Die verlockenden Worte der Schlange: „Ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist“ (1. Mose 3,5), entsprechen der Wahrheit, wie Gott selbst feststellt: „Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist.“ (1. Mose 3,22).

Die Versuchung des Menschen liegt darin, die ihm geschenkte Freiheit zu missbrauchen und die von Gott gesetzten Grenzen zu überschreiten. Die Erkenntnis von Gut und Böse ist mit der Scham darüber verbunden, zum Bösen fähig zu sein.

1. Mose 3 erzählt von Verführung und Verlockung, von Schuld und Strafe. Aber auch von der überraschenden Erfahrung, dass Gott „Gnade vor Recht“ ergehen lässt: Nicht der sofortige Tod, sondern „nur“ die Vertreibung aus dem Paradies ist die Konsequenz, die Adam und Eva zu ertragen haben. Das Leben geht weiter, wenn auch unter erschwerten Bedingungen und nicht ewig. Der Weg zum „Baum des Lebens“ ist versperrt. Doch Gott lässt auch seine schuldig gewordenen Geschöpfe nicht allein. Er versorgt sie mit Kleidung, ist bei ihnen, wenn sie unter Schmerzen ihre Kinder gebären und im Schweiße ihres Angesichts ihr Brot verdienen.

Bausteine für den Einstieg

1. Bildbetrachtung (z. B. das Bild „Schöpfung“ von Sieger Köder) (für alle Altersgruppen):
Wir betrachten miteinander das Bild (Hinweise dazu finden sich z. B. in der unten genannten „Kinder-Bibel“). Entdecken die Kinder die Schlange, die im Bild die aus Gottes Hand kommende Schöpfung mit dem Garten, in dem die ersten Menschen leben, verbindet? Was hat dieses Detail wohl zu bedeuten? Beate Brielmaier schreibt dazu (Kinder-Bibel. Mit Bildern von Sieger Köder. Stuttgart 1995, 10): „Gott schenkt den Menschen die Welt. So wie hier Adam und Eva sind wir mittendrin, wir sind ein Teil der Welt. Wir dürfen sie beschützen und hüten wie ein kostbares Geschenk. Das fällt uns manchmal schwer. Daran erinnert uns die Schlange im Bild.“

2. Lied: „Zwei lange Schlangen“ (für Vorschulkinder):
Das Lied dient zum Warming Up und führt das Stichwort „Schlange“ ein.

3. Lied: „Hör auf mich“ aus dem „Dschungelbuch“ (für alle Altersgruppen):
Die Szene aus dem Dschungelbuch gehört zur Wirkungsgeschichte der Paradiesgeschichte aus der Bibel. Wir zeigen zum Einstieg die Szene mit dem Lied der Schlange Kaa aus dem Dschungelbuch. Vermutlich kennen einige Kinder den Film und die Geschichte. Ist ihnen bewusst, dass diese Geschichte eine Parallele in der Bibel hat? Eine Geschichte, in der auch eine böse Schlange eine Rolle spielt (1. Mose 3).

4. Lied: „Man gave names to all the Animals” von Bob Dylan (für ältere Schulkinder):
Das Lied erinnert die Paradiesgeschichte und verweist auf die Schlange als Symbol für das Böse. Wir zeigen das animierte Video zum Lied. Der Text ist in sehr einfachem Englisch. Verstehen die Kinder, worum es geht? Vielleicht muss die eine oder andere Strophe übersetzt werden. Der Name des letzten Tiers wird nicht genannt. Es ist die Schlange (snake). Sie spielt eine besondere Rolle in der Geschichte für den heutigen Sonntag ...

5. Bilderrätsel: „Wer erkennt die biblische Geschichte?“ (für Schulkinder):
Ein Bild zur Geschichte (aus dem Internet oder aus einer Kinderbibel) wird – digital oder analog – so präpariert, dass den Kindern nach und nach immer mehr Teile des Bildes enthüllt werden können. Sie beschreiben, was sie sehen, und sollen erraten, um welche biblische Geschichte es in dem Bild geht. Wer zuerst eine Idee hat, meldet sich und macht einen Vorschlag. Ist die Geschichte erraten, wird das Bild komplett aufgedeckt und die Geschichte erzählt.

Bausteine für den Hauptteil

1. Video: „Adam und Evas Sünde“ (für Vorschulkinder und jüngere Schulkinder):
Das Video findet sich auf YouTube. Es vermittelt anschaulich die biblische Geschichte Wir zeigen das Video. Ein Gespräch darüber kann sich anschließen.

2. Biblische Geschichte erzählen (z. B. mit Bildern von Marc Chagall) (für alle Altersgruppen):
Wir erzählen die Geschichte aus 1. Mose 3, z. B. mit Bildern von Marc Chagall (1887-1985). In der „Chagall-Bibel für Kinder“ (Stuttgart 2007) finden sich zwei Bilder, die dafür geeignet sind: „Das Paradies“ und „Die Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies“. Auf beiden Bildern gibt es viel zu entdecken. Pflanzen und Tiere, Adam und Eva, die Schlange und den Engel ... Auch Erzählvorschläge dazu finden sich in dem Buch. Und es gibt noch viele andere Bilder, anhand derer die Geschichte erzählt werden kann – von Michelangelo bis zu Henri Rousseau, von Albrecht Dürer bis zu Emil Nolde. Nachforschen und Recherchieren lohnt sich! 

3. Biblische Geschichte miteinander lesen (für ältere Schulkinder):
Wir lesen miteinander den Bibeltext, vielleicht mit verteilten Rollen (Erzähler*in, Schlange, Eva, Gott, Adam). Anschließend lesen die Kinder den Text noch einmal für sich allein und markieren, was sie wichtig finden (!) und wozu sie Fragen haben (?). Dann kommen wir miteinander ins Gespräch. Wir fragen nach dem Ursprung des Bösen: Ist die Möglichkeit, die Versuchung zum Bösen Teil der (guten) Schöpfung Gottes? Ist sie so etwas wie ein „Nebenprodukt“ der Freiheit, die dem Menschen – als Ebenbild Gottes (1. Mose 1,26) – gegeben ist? Und was ist die „Versuchung“, das „Böse“ in dieser Geschichte? Erkenntnisgewinn an sich oder sein zu wollen wie Gott? Wie gehen Adam und Eva mit der Erkenntnis der eigenen Schuld um? Ist das etwas, das heute auch noch oft geschieht? Und wie steht es in dieser Geschichte um die Konsequenzen für die Übertretung des göttlichen Gebots? Hat die Schlange Recht behalten? Oder lässt Gott hier „Gnade vor Recht“ ergehen, weil Adam und Eva nicht, wie angekündigt, sofort sterben müssen, sondern „nur“ aus dem Paradies vertrieben werden? Fragen über Fragen, denen wir uns miteinander nähern können ... 

4. Gespräch: „Gut und Böse erkennen“ (für alle Altersgruppen):
Wir sprechen miteinander über die Frage, wie wir zwischen Gut und Böse, Richtig und Falsch unterscheiden können. Woher beziehen wir dafür den Maßstab? Was kann uns dabei eine Hilfe sein? Die Ideen werden auf einer Flipchart gesammelt, zum Beispiel:

  • Gesetze und Gebote legen das fest.
  • Unser Gewissen weist uns darauf hin.
  • In der Bibel finden wir Hinweise dazu.
  • Jesus hat es vorgelebt.
  • Eltern geben und leben das vor.
  • In der Schule diskutieren wir darüber.
  • Mit Freunden und Freundinnen können wir darüber sprechen.
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Bausteine für die Vertiefung

1. Ausmalbild: „Schlange“ (für Vorschulkinder):
Im Internet finden sich jede Menge Ausmalbilder mit Schlangen als Motiv. Eine kleine Auswahl davon bieten wir den Kindern an. Sie können sich ein Bild aussuchen und dieses Bild dann bunt gestalten.

In der biblischen Geschichte ist die Schlange ein Bild für das Böse. Auch die in früheren Zeiten, gerade in heißen Wüstengegenden, bestehende Feindschaft zwischen Menschen und Schlangen wird thematisiert (1. Mose 3,14-15). Wir wissen heute, dass Schlangen nicht böse sind, obwohl manche von ihnen auch für Menschen gefährlich sein können. Vor allem aber glauben wir, dass Gott das Böse besiegt hat und für uns nur Gutes will! Darum können unsere Schlangenbilder bunt und fröhlich sein.

2. Nachgestalten der biblischen Geschichte (für Schulkinder):
Die Kinder gestalten (evtl. in Kleingruppen) die biblische Geschichte nach. Verschiedene Methoden sind denkbar: Bilder, szenisches Spiel, Rap, (Trick-)Film etc. Eventuell können auch verschiedene Methoden parallel angeboten werden. Die Ergebnisse werden in der Gruppe, im Gemeindegottesdienst oder auf der Internetseite der Gemeinde präsentiert.

 

Volkmar Hamp ist Referent für Redaktionelles im Gemeindejugendwerk und Schriftleiter der Kinder­gottesdienst-App „Miteinander Gott entdecken“ (www.mge-app.de).