Von Luther zur Bibel in gerechter Sprache
Bibelübersetzungen im Praxistest
Von Jannik Panter | Erschienen in HERRLICH 02|2024, Seiten 22-25
Vielleicht hast du es auch schon erlebt: Junge Menschen fürs Bibellesen zu begeistern, ist so eine Sache. Und überhaupt: Welche Bibelübersetzung eignet sich am besten für die Arbeit mit jungen Menschen?
Um hier eine gute Entscheidung treffen zu können, ist es hilfreich, Bibelübersetzungen in die Kategorien „wortgetreu“ und „kommunikativ“ einzuteilen. Die „Wortgetreuen“ möchten den Text möglichst genau in die deutsche Sprachwelt übertragen. Die „Kommunikativen“ übersetzen Sinnzusammenhänge, um möglichst verständlich zu sein. Oft sind sie leichter zu lesen und werden darum gerne jungen Menschen in die Hand gedrückt.
Am Ende stellt sich die Frage: Möchte ich die Texte in ihrer kulturellen Fremdheit stehen lassen oder sie, so gut es geht, in meine Lebenswelt übertragen? Beides ist legitim. Bei allem gilt, dass jede Übersetzung eine Interpretation ist und in ihrer Form letztendlich auch Geschmackssache.
Meine kulinarische Frage ist: Welche Bibelübersetzung ist gesund und schmeckt besonders jungen Menschen? Hier gebe ich euch einen kleinen Überblick, ordne kritisch ein und erzähle von meinem persönlichen Geschmack.
Die „Wortgetreuen“
In der deutschsprachigen Bibellandschaft gibt es vier Klassiker unter den Wortgetreuen. Die Lutherbibel (durch ihren besonderen Sprachrythmus ein echter Lebensretter, wenn man schnell etwas auswendig lernen will), die Zürcherbibel (hat mit genauer Übersetzung und verständlicher Sprache mein Herz erobert), die Einheitsübersetzung (katholische Bibel) und die Elberfelderbibel (für die Nerds, die es genau wissen wollen und dabei auf deutschen Satzbau verzichten können).
Lutherbibel
Übersetzung: 4,4/5
Sprache: 3/5
Zürcherbibel
Übersetzung: 5/5
Sprache: 4/5
Einheitsübersetzung
Übersetzung: 4,5/5
Sprache: 3/5
Elberfelderbibel
Übersetzung: 5/5
Sprache: 1,5/5
Diese „big four“ eignen sich gut für Bibelarbeiten. Allerdings schafft die Sprache eine Einstiegshürde.
Die „Kommunikativen“
Die Gute-Nachricht-Bibel gilt unter den Kommunikativen als Klassiker, hat für meinen Geschmack aber einen recht altbackenen Schreibstil (obwohl sie erst 2018 überarbeitet wurde).
Gute-Nachricht-Bibel
Übersetzung: 2/5
Sprache: 3,5/5
Ebenfalls länger auf dem Markt ist die Hoffnung für Alle (HfA). Eine Eigenheit der HfA ist, in Texten, in denen Gott Subjekt des Satzes ist, den Menschen zum Subjekt zu machen.
Ein Beispiel: Im Johannesevangelium 6,29b schreibt die Zürcherbibel: „Das ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat.“ Die HfA übersetzt: „Nur eines erwartet Gott von euch: Ihr sollt an den glauben, den er gesandt hat.“
Auch in der aktuellen Version (2015) tritt diese Besonderheit so oft und gravierend auf, dass ich sie jungen Menschen nicht eigenverantwortlich in die Hand drücken würde.
Hoffnung für Alle
Übersetzung: 1/5
Sprache: 3,5/5
Relativ jung, aber trotzdem beliebt ist die Neues Leben Bibel (NLB). Wie die HfA ist die NLB eine eingedeutschte Version einer englischsprachigen Übersetzung. Trotz dieser „Übersetzung mit Umwegen“ halte ich sie für gelungen, denn die NLB verzichtet oft auf Nebensätze und ausschweifende Erklärungen. Das macht sie sprachlich prägnant und klar.
Neues Leben Bibel
Übersetzung: 2/5
Sprache: 4,5/5
Einen Spagat Richtung Wortgetreue wagt die Neue Genfer Übersetzung (NGÜ). Das Alte Testament gibt es bisher nur online und in Teilen. Ihre angenehm aktuelle Sprache und das Angebot alternativer Lesarten und Übersetzungsmöglichkeiten in den Fußnoten, mag ich sehr. So zeigt die NGÜ, dass eine Übersetzung immer auch Deutung ist. Ihre eigene Deutung macht sie leider nicht immer transparent.
Ein Beispiel ist die Übersetzung der griechischen Begriffe malakoi und arsenokoitai, welche die Lutherbibel mit „Lustknaben“ und „Knabenschänder“ übersetzt. Die NGÜ übersetzt beide Worte mit: „Person, die homosexuelle Beziehungen eingeht“. Auch wenn selbst die Lutherbibel eine kritikwürdige Übersetzung anbietet, übersetzt die NGÜ falsch. Sie macht die Machtdynamik im Text unsichtbar und gebraucht einen zeitgenössischen Begriff, der wenig mit der Lebenswelt antiker Texte zusammenpasst. Gerade bei einem Thema, das zurzeit auch im BEFG spannungsreich diskutiert wird, finde ich eine Übersetzung, die das Verständnis des Textes so eindeutig lenkt, unangebracht.
Neue Genfer Übersetzung
Übersetzung: 2,5/5
Sprache: 4/5
Auch die BasisBibel wagt einen Spagat und übersetzt wesentlich wortgetreuer als ihre kommunikativen Kolleginnen. Zwar klingt ihr Sprachstil deutlich altbackener, religiöse und traditionelle Begriffe werden aber am Seitenrand erklärt. Der Lesefluss wird nicht behindert, sie bleibt verständlich und fördert Lust am Textentdecken, weg vom schnellen Überfliegen.
BasisBibel
Übersetzung: 4/5
Sprache: 3,5/5
Die „Rebellinnen“
Zu Bibeln, die aus dem bisherigen Rahmen fallen, gehört unter anderem die Volxbibel. Sie ist mehr zeitgenössische Neuinterpretation als Übersetzung. Den einen oder anderen Vers zu zitieren kann lustig, im besten Fall nützlich sein. Obwohl ich den Geist der Volxbibel durchaus sympathisch finde, würde ich die einzelnen Passagen vorher immer noch in einer anderen Übersetzung nachschlagen.
Volxbibel
Übersetzung: 0,5/5
Sprache: 3,5/5
Abschließend möchte ich unbedingt noch die Bibel in gerechter Sprache (BigS) nennen. Der BigS ist das Thema „Gerechtigkeit“ in den Texten besonders wichtig. Daher bemüht sie sich geschlechtergerechte Sprache zu verwenden und antijudaistische Tendenzen zu vermeiden. Da sie sich nicht an traditionellen Übersetzungen orientiert, wirkt sie für geübte Bibellesende holprig. Jedes Buch der Bibel wurde von einer anderen Person übersetzt, was die Übersetzung im gesamten uneinheitlich und etwas sperrig macht. Darum würde ich sie beispielsweise für den Gemeindebibelunterricht nicht empfehlen. Sie ist aber eine wichtige Ergänzung, weil sie einlädt das eigene Denken und Verstehen zu hinterfragen. Zum Beispiel kann sie ein guter Startpunkt sein, um über Gottesbilder zu sprechen, da sie Gott nicht nur männlich benennt (wozu die deutsche Sprache neigt).
Bibel in gerechter Sprache
Übersetzung: 3,5/5
Sprache: 2/5
Und jetzt ...?
Wenn du gemeinsam mit jungen Menschen die Texte genauer unter die Lupe nehmen möchtest, lege ich dir die BasisBibel ans Herz. Die Neues Leben Bibel ist zwar eine ungenaue Übersetzung, trotzdem punktet sie durch ihre Einstiegsfreundlichkeit, gerade wenn längere Textpassagen gelesen werden. Zum Auswendiglernen bleibt die Lutherbibel unangefochten.
Ich zeige meinen (kritisch erarbeiteten) Geschmack hier ganz offen, möchte dich aber ermutigen, selbst ein wenig zu probieren! Auch ohne Kenntnisse der Originalsprachen kannst du online Bibelübersetzungen miteinander vergleichen. Und vergiss nicht: Die Übersetzung, die in jungen Menschen die Lust am Bibellesen weckt, muss nicht die letzte sein, die sie je in der Hand halten.