Haben Tiere eine Seele?
Von Linnea Taeschner | Erschienen in HERRLICH 01|2025, Seiten 46-49 | Lesezeit: 6:41 Min
Die Frage, ob Tiere eine Seele haben, ist tiefgründig und beschäftigt die Menschen seit Jahrhunderten. Sie berührt unser Verständnis von Leben, Bewusstsein, Glauben und der Beziehung zwischen Menschen und anderen Lebewesen. Ich möchte mir nicht anmaßen, sie beantworten zu können, doch meine persönlichen Überlegungen teilen und zum Nachdenken anregen.
Was ist die Seele?
Die Seele wird als charakteristisches Merkmal lebender Wesen beschrieben. Sie ist unsichtbar, geistig und macht die Identität eines Lebewesens aus. Wenn Tiere keine Seele haben, was ist es dann, dass sie lebendig macht? Was treibt ihren Körper an?
Tiere sind keineswegs bloße „Automaten“, die rein reflex- und instinktgesteuert funktionieren, wie es lange Zeit in der westlichen Philosophie gedacht wurde. Sie haben ein breites Spektrum an Emotionen, Intelligenz und Empathie, was darauf hindeutet, dass sie ein gewisses „Bewusstsein“ besitzen. Tiere haben „beste Freunde“, singen ihren Kindern „Schlaflieder“ oder trauern tagelang um verstorbene „Verwandte“.
Ehrlich gesagt habe ich mich oft gefragt, was uns Menschen signifikant von den Tieren unterscheidet, außer dass wir Klamotten tragen und mit Geld Handel betreiben. Wahrscheinlich würden nun viele von einem „Bewusstsein über Gott“ sprechen, das nur dem Menschen zugesprochen wird. Steht es wirklich unumstößlich fest, dass Tiere kein „spirituelles Bewusstsein“ haben?
Und wenn Tiere tatsächlich eine Seele besitzen, schließt sich die Frage an, ob diese Seele im gleichen Sinne unsterblich ist wie die menschliche Seele. Was passiert nach ihrem Tod? Können Tiere in den Himmel kommen? Wie sieht das im Christentum aus?
Haben Tiere ein Bewusstsein?
In der Bibel gibt es durchaus Hinweise darauf, dass Tiere fühlen und denken können. Die Geschichte von der Eselin Bileams, die spricht, ist ein eindrucksvolles Beispiel. Sie rettet Bileam das Leben, weil sie einen Engel Gottes erkennt, den er nicht sehen kann. Sogar als sie von ihrem Herrn geschlagen wird, weigert sie sich und rettet ihm so das Leben. In 4. Mose 22,27-28 steht:
„Und die Eselin sah den Boten des HERRN und ging unter Bileam in die Knie. Da entbrannte der Zorn Bileams, und er schlug die Eselin mit dem Stock. Der HERR aber öffnete der Eselin den Mund, und sie sprach zu Bileam: Was habe ich dir getan, dass du mich dreimal geschlagen hast?“
Diese Erzählung stellt die Tiere nicht nur als fühlende Wesen dar, sondern gibt ihnen sogar eine spirituelle Wahrnehmung, die über das hinausgeht, was der Mensch in diesem Moment begreifen kann. Das lässt darauf schließen, dass Tiere durchaus eine Art von göttlichem Bewusstsein oder spirituellem Empfinden haben könnten –
nur auf eine andere Weise als Menschen.
Ist diese Bibelstelle nicht auch ein Hinweis darauf, dass Tiere denken können – nur im Normalfall nicht sprechen? Dabei kam mir folgende Frage: Unterstellen wir Tieren eine verminderte Intelligenz, weil sie nicht sprechen können?
Ich habe eine Zeitlang „Gebärdensprachdolmetscherin“ werden wollen und mich mit der Geschichte von gehörlosen Menschen beschäftigt. Es ist keine 25 Jahre her, da wurden gehörlose Menschen als „taubstumm“ bezeichnet. Heute gilt dieser Begriff als diskriminierend, weil gehörlose Menschen nicht stumm sind, sondern in einer anderen Sprache, der Gebärdensprache, kommunizieren. Zudem wurden gehörlose Menschen in vergangenen Jahrhunderten auch automatisch als „dumm“ eingestuft. Frei nach dem Motto: Wenn du uns nicht verstehst und nicht in UNSERER Sprache kommunizieren kannst, bist du offensichtlich geistig eingeschränkt. Heutzutage weiß man, dass gehörlose Menschen genauso intelligent sind wie Menschen, die hören können.
Vielleicht kann man analog dazu sagen: Nur weil Tiere nicht wie wir Menschen sprechen, heißt es nicht, dass sie automatisch dümmer sind als wir! Vielleicht lösen sie keine mathematischen Gleichungen, aber tragen dafür ganz andere Weisheiten in sich.
Durch meine Arbeit als Hundetrainerin und ehrenamtliches Engagement im (Wild-)Tierschutz habe ich erkannt, dass Tiere sehr wohl mit uns kommunizieren. Es ist eine Form von Kommunikation, die nicht notwendigerweise verbal sein muss, aber ebenso tiefgründig sein kann. Werde ich aufgrund meiner engen Verbundenheit mit Tieren als „Tierflüsterin“ bezeichnet, erkläre ich, dass das Geheimnis nicht darin besteht, ihnen etwas zuzuflüstern, sondern ihnen zuzuhören. Es kann erstaunlich sein, wie viel Tiere begreifen, wenn man es ihnen zutraut, und wie viel sie dich lehren, wenn du dafür offen bist.
Ich habe einmal eine Predigt mit dem Thema gehalten: „10 Dinge, die ich von meinem Hund über Gott gelernt habe“. Dabei habe ich geteilt, wie viel mir über Gottes Liebe zu uns durch das Leben mit meiner Hündin offenbart wurde. Als meine Hündin verschwunden war und ich sie suchen musste, wurde mir klar, warum Jesus „das verlorene Schaf“ rettet, sprich: keinen Menschen aufgibt. Obwohl sie weggelaufen ist, also quasi selbst schuld war, habe ich nicht eine Minute daran gedacht, sie aufzugeben. Außerdem wurde mir klar, warum wir in stürmischen Zeiten auf Jesus schauen sollen und nicht auf die Wellen. Meine Hündin blieb ruhig, wenn sie in stressigen Situationen zu mir schaute. Wenn sie sich aber umsah und die beängstigenden Dinge betrachtete, wurde sie nervös. Nur wenn sie den Blickkontakt mit mir hielt, konnte sie mit den schwierigen Momenten umgehen und „über das Wasser laufen“.
Gott begegnet mir sehr viel durch Tiere und erklärt mir Weisheiten mit ihnen. Deshalb sehe ich Tiere als Lehrer fürs Leben, die Gott gezielt in seinen Plan einbaut.
Brauchen Tiere Erlösung?
Wenn wir uns die Frage stellen, ob Tiere in den Himmel kommen, liegt die Frage nahe, ob sie denn „Erlösung“ brauchen?
Dr. Rainer Hagencord, Leiter des Instituts für Theologische Zoologie e.V. in Münster, hat die interessante These aufgestellt, dass Tiere eine Seele haben, aber keine Erlösung brauchen. Er argumentiert, dass nur der Mensch aus dem Paradies vertrieben wurde, weil er gegen Gott gesündigt habe. Die Tiere hätten das nicht. Die größte Sünde des Menschen sei gewesen, „wie Gott sein zu wollen“ (1. Mose 3,5). Nur die Schlange wurde für die Verführung der Menschen bestraft. Alle anderen Tiere wurden weder bestraft noch vertrieben. Sie gehen ihrer Bestimmung auf Erden nach. Brauchen Tiere also überhaupt Erlösung, wie der Mensch?
Etwas anderes könnte diese These verstärken, nämlich, dass Tiere im Alten Testament als „Opfer“ genutzt wurden, um Menschen von ihren Sünden reinzuwaschen. Dies wurde praktiziert, bis Gott selbst sich hingegeben hat, um uns zu erlösen. Jesus war als einziger unschuldiger Mensch das ultimative Opfer für alle (Hebräer 9). Wenn vorher Tiere als Opfer genutzt wurden, ist das nicht ein Zeichen dafür, dass sie „unschuldig“ sind?
Und falls Tiere trotzdem „Erlösung“ brauchen und man ihnen rein kognitiv nicht zutraut, Gott zu erkennen, würde dann für sie nicht das gleiche gelten, wie für Kinder? Wir gehen doch davon aus, dass Babys, die „richtig“ und „falsch“ nicht unterscheiden können und nicht in der Lage sind, über den Glauben zu sprechen oder überhaupt darüber nachzudenken, nach ihrem Tod in den Himmel kommen – einfach, weil Gott liebevoll und gerecht ist!
Die Frage nach dem „Wert“ von Tieren
Jetzt könnte allerdings wieder das Argument gebracht werden, dass Tiere Gott nicht so wichtig seien wie Menschen und dass deshalb nur Menschen und nicht die Tiere in den Himmel kommen. Die Bibel zeigt jedoch mehrfach, dass auch Tiere für Gott wertvoll sind. Selbst Jesus spricht von Gottes Fürsorge für die Tiere, etwa in Lukas 12,6, wo er erklärt, dass Gott sogar den kleinsten Spatzen kennt und versorgt. Zudem hat Gott dem Menschen ganz am Anfang nach der Erschaffung der Erde die Aufgabe erteilt, sich um die Tiere zu kümmern (1. Mose 1,28). Wieso sollte er das tun, wenn sie ihm völlig egal wären?
Als ich die Bibelstelle von Bileams Eselin las, löste die Ungerechtigkeit, mit der die Eselin behandelt wird, große Gefühle in mir aus. Es berührt mich sehr, dass dem Engel nicht egal ist, dass die Eselin von Bileam geschlagen wird. Er ist wütend darüber (4. Mose 22,32). Für mich ist das ein Zeichen, dass es Gott nicht egal ist, wie wir Tiere behandeln – was ich deutlich unterstreichen möchte! Die Bibel zeigt, dass Tiere nicht nur als „Güter“ des Menschen existieren, sondern als wertvolle, von Gott geschaffene Wesen, die Respekt und Fürsorge verdienen.
Warum wurden die Tiere geschaffen?
Wichtig finde ich, an dieser Stelle zu betonen, dass die Tiere ursprünglich von Gott nicht als Nahrungsquelle für den Menschen geschaffen wurden. In der Schöpfungsgeschichte heißt es, dass sich die Menschen von den Früchten und Samen der Pflanzen ernähren sollen (1. Mose 1,29).
Auch wenn später, nach dem „Sündenfall“ und der „Sintflut“, den Menschen erstmalig erlaubt wird, Tiere zu essen (1. Mose 9,3), so scheint dies nicht ihre einzige Lebensbestimmung zu sein.
Die Tiere waren Gott so wichtig, dass Noah von jeder Art ein Paar retten sollte. Hätten die Tiere nur zum Essen dienen sollen, weil das Land nach der Sintflut möglicherweise eine Zeit lang nicht mehr bebaubar war, hätte es wohl gereicht, nur ein paar Schafe zu retten. Das wäre viel weniger Aufwand gewesen. Schafe geben Milch und Wolle und vermehren sich schnell. Wieso ALLE Tiere retten? Möglicherweise um die gesamte Schöpfung zu bewahren, die Gott kostbar geschaffen hatte. Tiere sorgen für ein Gleichgewicht in der Natur und halten sie instand. Sie erfüllen verschiedene Aufgaben, damit die Erde nicht kaputt geht. Jedes Tier hat von Gott einen „Job“ bekommen. Jedes ist einzigartig und wertvoll, von einer kleinen Biene über den Biber bis zum Mistkäfer.
Interessant finde ich auch, dass Gott dem ersten Menschen jedes Tier als möglichen Begleiter vorstellt. In 1. Mose 2,18-19 heißt es:
„Gott, der Herr, dachte: ‚Es ist nicht gut, dass der Mensch so allein ist. Ich will ein Wesen schaffen, das ihm hilft und das zu ihm passt.‘ So formte Gott aus Erde die Tiere des Feldes und die Vögel. Dann brachte er sie zu dem Menschen, um zu sehen, wie er jedes Einzelne nennen würde; denn so sollten sie heißen.“
Adam beschwert sich dann, dass keins der Tiere als (Liebes-)Partner zu ihm passt, und so schuf Gott die Frau aus einem Teil von Adam, die genauso war wie er.
Irgendwie berührt mich der Gedanke, dass Gott die Tiere dem Menschen als Gefährten oder Freunde vorgestellt hat. Das spricht ihnen in meinen Augen einen großen Wert zu! Sie haben eine Aufgabe in der Schöpfung, und ihre Beziehung zum Menschen ist nicht nur funktional, sondern tief und bedeutungsvoll.
Da ich schon mein ganzes Leben eng mit Tieren verbracht habe, ihre verschiedenen Persönlichkeiten kennen und schätzen gelernt habe, stand für mich immer außer Frage, dass auch sie eine Seele haben. Ich finde es fast amüsant, wie beherzt man über dieses Thema in christlichen Kreisen streiten kann. Als würde uns Menschen etwas weggenommen werden, wenn wir auch anderen Wesen eine Seele zugestehen!
Als die Menschen herausfanden, dass nicht die Sonne um die Erde kreist, sondern umgekehrt die Erde um die Sonne, gab es einen riesigen Aufschrei in der christlichen Kirche. Der Mensch wurde als „Krone der Schöpfung“ geschaffen. Da ihm die Erde „gehört“, sollte sie auch das Zentrum des Universums sein! Dabei ist es doch perfekt, so wie es ist! Gott hat die Erde an den einzigen Platz im Universum gesetzt, an dem Leben möglich ist. Also sollten wir weiterhin Gott vertrauen, dass er nur das Beste für uns möchte. Und ob den Tieren eine (unsterbliche) Seele innewohnt oder nicht, sie sind unsere Mitgeschöpfe. Und am wichtigsten ist, dass wir uns um sie kümmern sollen, sie also nicht ausbeuten, sondern artgerecht versorgen, liebevoll und mit Respekt behandeln sollen.
Die Schöpfung ist in ihrer Vielfalt ein wunderbares Geschenk, denn fehlt eine Gattung, wie z. B. die Fische, so wird sich die Erde innerhalb kürzester Zeit in einen Ort verwandeln, an dem wir Menschen nur sehr unbequem leben könnten. Deshalb sollten wir gerade jetzt unserem Auftrag besonders nachkommen, die Tiere zu schützen – und auch den Rest von Gottes wunderschöner Schöpfung, für die wir jeden Tag neu dankbar sein dürfen.
„Danke Gott, für deine Schöpfung, die du so liebevoll, lustig, kreativ und perfekt für uns geschaffen hast. Amen.“
Linnea Taeschner
Linnea Taeschner (25) ist staatl. anerk. Sozialpädagogin und Jugendreferentin beim GJW NOS. Als zertifizierte Verhaltenstrainerin für Hunde gründete sie vor sieben Jahren ihre Hundeschule „mein Heldenhund“ und spezialisierte sich auf die Ausbildung von Assistenzhunden.