Auferweckung ins Leben oder himmlischer Seelenfrieden – was erwartet uns nach dem Tod?

Von Ralf Dziewas  |  Erschienen in HERRLICH 01|2025, Seiten 34-39  |  Lesezeit: 6:56 Min 

Wenn ein Mensch gestorben ist, passiert es auch heute noch manchmal, dass jemand spontan ein Fenster öffnet. Die Seele der verstorbenen Person soll frei sein, sich auf den Weg zu Gott zu machen. Früher hat man dann auch noch die Spiegel, die im Sterbezimmer waren, mit Tüchern verhängt, damit die Seele auf dem Weg nach oben nicht versehentlich auf den Leichnam zurückblickt und an den Körper gebunden bleibt. Diese alten Rituale gehen davon aus, dass die menschliche Seele nach dem Tod den Körper als leere Hülle zurücklässt und an ihren Ursprungsort, den Himmel, zurückkehrt.

Diese Vorstellung basiert jedoch nicht auf den biblischen Texten. Sie stammt aus der griechischen Philosophie, die davon ausging, dass die göttliche Seele des Menschen unsterblich sei und erst mit dem Tod aus ihrer Gefangenschaft im menschlichen Körper freikommen kann. Aber da die griechische Philosophie die abendländische Kultur tief geprägt hat, konnte die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele im Laufe der Kirchengeschichte die biblische Vorstellung einer leiblichen Auferweckung der Toten zum Teil verdrängen. 
 

Hoffnung auf das Reich Gottes

Dabei ist es spannend, dass der erste, hebräisch verfasste Teil der Bibel noch gar keine individuelle Auferstehungshoffnung kennt. Auch die Vorstellung einer Seele, die den Menschen nach seinem Tod überleben könnte, gab es im alten Israel nicht. Das in den meisten deutschen Bibelübersetzungen als Seele wiedergegebene hebräische Wort „nefesch“ bedeutet wörtlich Kehle. Der Mensch hat keine Seele, er ist eine lebendige Seele, solange durch seine Kehle der von Gott geschenkte Atem ein- und ausströmt (Gen 2,7).

Mit dem Tod endete nach altisraelitischer Vorstellung daher auch die Beziehung des Menschen zu Gott, denn den Verstorbenen fehlt schlicht der Atem, um Gott zu loben. Und deshalb beteten Menschen in Todesnot darum, dass Gott ihre Seele, also ihren Lebensatem errettet:

„Denn die Toten loben dich nicht, und der Tod rühmt dich nicht, und die in die Grube fahren, warten nicht auf deine Treue; sondern allein, die da leben, loben dich so wie ich heute.“ (Jes 38,18-19a und ähnlich Ps 6,6; 30,10; 88,11-13; 115,17f).

Und wo in alten Erzählungen Israels die aus anderen Religionen bekannte Vorstellung begegnet, dass man zumindest die Geister Verstorbener wieder heraufbeschwören könne (z. B. bei der Totenbeschwörerin von Endor in 1. Sam 28,3-25), ist allen Beteiligten klar, dass es sich hierbei um mit dem israelitischen Glauben unvereinbare und darum strikt verbotene Praktiken handelt (Dtn 18,9-11, Lev 20,27). 

Anstelle einer Hoffnung auf Auferstehung überliefert uns die hebräische Bibel aber die prophetische Hoffnung auf das Reich Gottes. Am Ende der Zeiten wird Gott in dieser Welt für Frieden und Gerechtigkeit sorgen. Dann werden die Schwerter zu Pflugscharen umgeschmiedet und die Menschen ihr Leben ungestört genießen können (Mi 4,1-5; Jes 2,1-5). Dann wird niemand mehr vorzeitig sterben und selbst die Tierwelt wird versöhnt miteinander leben (Jes 65,18b-25).

Und diese Reich-Gottes-Hoffnung kann dann auch mit dem verheißenen Messias verbunden werden, unter dessen Herrschaft die Menschheit am Ende in Frieden vereint und in gerechten Verhältnissen leben darf und alle Geschöpfe nicht mehr von Tod und Gewalt bedroht sind (Jes 11,1-9). 
 

Auferweckung zu neuem Leben

Eine eigentliche Hoffnung auf eine Auferweckung Verstorbener zu neuem Leben entsteht in Israel erst in der Zeit der Besatzung durch die Griechen, also in der Zeit zwischen Altem und Neuem Testament. In dieser Zeit bezahlten manche Israeliten, die sich der griechischen Herrschaft und Lebensart widersetzten, ihre Glaubenstreue mit dem Tod. Das ließ in Israel die Hoffnung entstehen, dass Gott die wegen ihres Glaubens umgebrachten Märtyrer mit einem neuen Leben beschenken müsse, um dieses Unrecht auszugleichen. 

Dabei wurde aber keine himmlische Ewigkeit für die Auferweckten erwartet, sondern ein neues und erfülltes irdisches Leben als Wiedergutmachung für den viel zu frühen Tod (vgl. die schaurige Geschichte der für ihren Glauben zu Tode gefolterten jungen Männer in 2. Makk 7 und deren Glaubenszeugnisse vor dem grausamen Herrscher).

Diese für Israel neue Auferstehungshoffnung entstand aber nicht aus dem Nichts. Sie konnte an einen Text aus dem Buch des Propheten Ezechiel anknüpfen, der bereits vier Jahrhunderte zuvor die Erneuerung Israels nach dem Exil mit einer Auferweckung von Toten verglichen hatte. Er hatte dabei im übertragenen Sinne das Bild eines Totenfeldes verwendet, bei dem Gottes Geist dafür sorgt, dass sich die Skelette des am Boden liegenden Volkes neu mit Sehnen, Fleisch und Haut überziehen, bevor Gott sie mit seinem Atem zu neuem Leben erweckt (vgl. Ez 37,1-14).

Die Hoffnung auf eine individuelle Auferstehung war also in der Spätzeit Israels eine bereits biblisch begründbare theologische Antwort auf eine konkrete Erfahrung der Glaubensverfolgung. Diese Hoffnung ermöglichte es, das eigene Leben hinzugeben für den Glauben, im Vertrauen darauf, dass Gott auch jenseits des Todes noch Gerechtigkeit schaffen kann, indem er nur diejenigen auferweckt, die ihm treu geblieben sind (2. Makk 7,14). Dass dieses neue Leben dann allerdings ein Leben in himmlischen Sphären sein könnte, findet sich in den Schriften Israels nirgends. 
 

Irdischer und himmlischer Leib

Daran ändert sich auch in den neutestamentlichen Texten nichts, denn auch deren Hoffnung ist nicht auf ein Weiterleben der Seele bei Gott gerichtet, sondern auf eine echte Auferweckung zu irdischem Leben. So stellen sich die Ostertexte der Evangelien das neue Leben des auferstandenen Jesus sehr körperlich vor. Jesus lässt sich anfassen (Mt 28,7), isst mit seinen Jüngern (Lk 23,36-43) und bietet dem zweifelnden Thomas an, die bei der Kreuzigung entstanden Wunden an seinem Körper zu berühren (Joh 20,27).

Und auch Paulus bringt in seinem berühmten 15. Kapitel des 1. Korintherbriefes klar zum Ausdruck, dass die Menschen auch nach der Auferweckung noch einen Körper haben werden, auch wenn dieser andere Eigenschaften haben wird, als ihr sterblicher Leib (1. Kor 15,35-39). 

Den Unterschied zwischen dem irdisch-natürlichen und dem dann geistlich-himmlischen Leib der Auferweckten sieht Paulus vor allem in der Überwindung der menschlichen Sterblichkeit und Schwäche:

„So auch die Auferstehung der Toten. Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Schwachheit und wird auferstehen in Kraft. Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib. Gibt es einen natürlichen Leib, dann gibt es auch einen geistlichen Leib.“ (1. Kor 15,42-44)

Dabei hat Paulus, wenn er vom geistlichen oder himmlischen Leib der Auferweckten spricht, kein jenseitiges, geisterhaftes Schweben in himmlischen Sphären vor Augen. Er spricht vielmehr von leibhaftigen lebendigen Menschen, die aber nach der Auferstehung, so wie die himmlischen Wesen, ganz von Gottes Geist durchdrungen und geprägt sind und nur noch nach dem Willen Gottes leben.

Die Lebensform der Auferstandenen ist also nicht ein engelgleiches ewiges Leben im Himmel, oder gar ein ewiger Seelenfrieden, sondern eine dem Himmel gemäße, und daher unvergängliche irdische Lebensweise. Die Auferweckten unterscheiden sich von der alten Menschheit vor allem darin, dass sie jetzt ihr Leben auf eine mit Gottes Liebe, Güte und Gnade übereinstimmende Weise leben.

Am Ende schließt die Bibel in der Offenbarung des Johannes mit einer prophetischen Vision vom himmlischen Jerusalem. Aber auch dieses himmlische Jerusalem bleibt nicht im Himmel. Es kommt vielmehr auf die Erde herab (Off 21,2). Und es wird beschrieben als wunderbare Stadt voller Gold und Edelsteine. Vor allem aber ist sie der Ort, in dem Gottes Gegenwart das Zusammenleben der Menschen bestimmt. Wenn Gott am Ende alle Bedürfnisse der Menschen auf ein glückliches Leben erfüllt, wenn Tod und Tränen keinen Platz mehr haben, dann wird der gute Wille Gottes mit dieser Welt an sein Ziel gekommen sein und Gott auf ewig unter den Menschen wohnen (Off 21,1-22,5). 
 

Zu neuem Leben erweckte Menschen

Es geht also bei der Auferweckung nirgends um die Errettung menschlicher Seelen aus dieser, dem Untergang geweihten Welt, sondern immer um die Neugestaltung dieser Welt hin zum Reich Gottes. Der Mensch, der seit der Schöpfung das Ebenbild Gottes sein sollte, dieser Aufgabe aber nie gerecht wurde, wird am Ende ein von Gottes Geist bestimmtes und deshalb ewiges Leben führen dürfen. Das ist die zentrale biblische Hoffnung für diese Welt und alle von Gott auferweckten Menschen.

Es gehört zu den Problemen der modernen westlichen Christenheit, dass diese biblische Hoffnungsbotschaft nicht mehr richtig präsent ist. Wo das, was nach dem Tod kommt, nur noch als Rückkehr der Seele zu Gott oder als ewiger himmlischer Lobpreis gedacht wird, da verliert die Auferstehungshoffnung ihre lebensverändernde Kraft. Eine abgespeckte Vorstellung vom ewigen Leben, in der die schönen Seiten dieses irdischen Lebens keinen angemessenen Platz mehr haben, wirkt halt wenig inspirierend.

Wir dürfen uns das neue Leben, zu dem wir nach unserem Tod auferweckt werden sollen, nicht weniger lebendig, nicht weniger lebensfroh, nicht weniger körperlich und erfüllend vorstellen, als ein gelingendes, fröhliches Leben in dieser Welt. Wir werden nach diesem Leben nicht in Harfe spielende Engel im Himmel verwandelt. Wir sollen zu neuem Leben erweckte Menschen werden, die die ganze Fülle dessen erleben dürfen, was wahres Menschsein ausmacht.

Und wenn dazu der ewige Lobpreis Gottes gehört, dann deshalb, weil unser neues Leben so fröhlich und leidfrei sein wird, dass wir stets ein Lob- und Danklied auf den Lippen haben werden. Dann singen wir Lieder, die aus einer ungetrübten Lebensfreude kommen, weil Trauer und Tod, Leid und Schmerz nicht mehr da sein werden. Es geht um nicht weniger als ein erfülltes Leben mit all den positiven Gefühlen, zu denen wir als Menschen fähig sind.

Wenn unsere Auferstehungshoffnung eine wahrhaft biblische sein soll, darf sie nicht weniger umfassen als die Hoffnung auf ein Leben, in dem Tanz und Gesang und Essen und Trinken und Spielen und Lachen Teil unseres Alltags sein werden. Und warum sollen nicht Lesen und Neues lernen, das Musikhören und Musikmachen, Computerspiele und intellektuelle Herausforderungen, zärtliche Liebe, entspanntes Chillen oder das intensive Genießen von Stille mit dazu gehören? Und all das in der Gegenwart des uns liebevoll zugewandten Gottes und gemeinsam mit den Menschen, die wir lieben.

Nur eine solche, lebensbejahende, lebendige Auferstehungshoffnung kann auch das Leben im Hier und Jetzt bereits machtvoll verändern. Eine solche Hoffnung kann uns zu engagierten und zu verantwortungsvollen Aktivisten für eine von Gottes Willen geprägte Zukunft machen.

Die biblische Hoffnung war nie eine Jenseitsvertröstung auf eine rein himmlische Herrlichkeit. Sie hat diese Welt niemals hinter sich oder gar dem Verderben überlassen. Die christlichen Texte blicken vielmehr voraus auf das gelingende Miteinander aller Geschöpfe in der Herrlichkeit des Reiches Gottes auf Erden. Und diese Hoffnung kann auch heute noch Menschen dazu anspornen, schon jetzt so viel Reich Gottes erlebbar zu machen, wie irgend möglich.

Wir dürfen schon heute die Herrlichkeit der Güte Gottes feiern und so viel versöhnte Gemeinschaft gestalten, wie es uns gelingt. Wir dürfen uns für die verheißene Herrlichkeit bereits jetzt voll Gelassenheit engagieren und aus unserer Hoffnung
den langen Atem schöpfen, den die Arbeit am Reich Gottes erfordert. Dann sind wir mit ganzer Seele als Gottes geliebte Geschöpfe bei dem, worauf es ankommt.

Am Ende aber müssen und dürfen wir es Gott überlassen, wann und wie er seine Schöpfung vollenden wird. Aber eines versprechen uns die biblischen Verheißungen: Wenn Gott das gute Ziel mit seiner Schöpfung erreichen wird, dann werden wir auch als Auferweckte mittendrin mit dabei sein.

 

Prof. Dr. Ralf Dziewas

Prof. Dr. Ralf Dziewas lehrt Diakoniewissenschaft und Sozialtheologie an der Theologischen Hochschule Elstal. Dabei ist ihm wichtig, dass der christliche Glaube nicht nur tröstet, sondern gesellschaftsverändernde Kraft entfaltet.