Musik, Kunst Kultur – Balsam für die Seele!?

Von Christin Stöcker  |  Erschienen in HERRLICH 01|2025, Seiten 40-45  |  Lesezeit: 5:29 Min

Kunst und vor allem Musik sind für uns alle tägliche Begleiterinnen. Ich kenne viele, die ihren Tag mit Musik starten: beim Zähneputzen, Duschen, Kaffee kochen oder auf dem Weg in die Schule oder Arbeit. Ich persönlich höre auch gerne zum Einschlafen Musik oder ein Hörbuch oder Hörspiel. Mein Tag ist quasi eingerahmt davon, dass ich Kunst anhöre.
 

Kunst tut der Seele gut

Diese Annahme teilen seit vielen Jahren Pädagog*innen, Therapeut*innen, Psycholog*innen und Künstler*innen. Kunst hat das Potential, menschliche Erfahrungen darzustellen und für andere nachvollziehbar zu machen. Und zwar auf verschiedene Arten und Weisen.

Ein klassisches Beispiel, mit dem die meisten etwas anfangen können, sind Liebeslieder. Musiker*innen finden Worte und Melodien für Gefühle und Erfahrungen, die für viele andere Menschen nachvollziehbar sind, die sich in den Worten und Melodien wiederfinden. Die Lieder drücken teilweise etwas aus, wofür dem Zuhörer oder der Zuhörerin selbst die Worte fehlen. Sie finden in den Worten des Sängers oder der Sängerin Worte für das eigene Erleben.

So ähnlich ist es mit Romanen, Gedichten, gemalten Bildern, Zeichnungen, Animationen, Filmen und mehr. Entweder finden wir unsere eigenen Gefühle und Erlebnisse darin wieder oder unsere Wünsche oder auch Ängste.
 

Welche Kunstformen gibt es überhaupt?

Kunst ist ein unglaublich breit gefächertes Feld.
Da gibt es die bildende Kunst wie Malerei oder Bildhauerei, die darstellende Kunst wie Tanz oder Theater, Wortkunst wie Poesie oder fiktionale Romane, Musik von klassischer Komposition bis hin zu moderner Liedermacherei. Nicht zu vergessen sind Medienkunst wie Film, Fotografie oder Mediendesign und angewandte Kunstformen wie die Architektur oder Produktdesign.

Wir kommen um die Kunst in unserem Alltag eigentlich gar nicht herum. Mir stellt sich nur die Frage, wie oft wir diese Kunst und ihre Wirkung auf uns bewusst wahrnehmen. Das müssen wir nicht immer tun, aber ich denke, ab und zu ein offenes Auge für die Kunst um uns herum zu haben, kann das Leben im Augenblick verschönern und den Blick für die Gegenwart schärfen – quasi Achtsamkeit schulen.

Es gibt Kunst, die zum Innehalten einlädt. Kunst, die zum Feiern einlädt. Kunst, durch die unangenehme Gefühle Platz finden. Kunst, die uns in warme Gefühle einhüllt. Kunst, die Gesellschaft kritisiert. Kunst, die zur Entspannung beiträgt. Kunst, die provoziert. Kunst, die ein Zuhause schafft. Kunst, die aufdringlich ist. Kunst, die zurückhaltend ist. Kunst, die pragmatisch ist. Kunst, die laut und grölend ist. Kunst, die leise und sanft ist. Kunst, die uns den Moment bewusst wahrnehmen lässt. Kunst, die uns in eine andere Welt eintauchen lässt. Und noch viel mehr.
 

Produzieren und konsu­mieren

Was alle Kunst vereint, ist, dass es solche Personen gibt, die sie produzieren, und welche, die sie konsumieren. Beides kann eine positive Wirkung auf das Befinden haben. Im Konsumieren – also Hören, Sehen, Spüren, Fühlen und sogar Schmecken von Kunst – kann es uns gehen, wie oben bereits beschrieben: Der Konsument oder die Konsumentin erkennt sich selbst oder eigene Erlebnisse oder Wünsche im Kunstwerk wieder und kann sich damit identifizieren und dadurch Ausdruck für Zusammenhänge finden, für die es bisher keinen Ausdruck gab. Oder durch die Kunst kann man in eine Fantasie- oder Traumwelt eintauchen. Der Mensch, die Psyche, die Seele braucht beides: sowohl die Wahrnehmung dessen, was sich in der Seele abspielt, und das Anerkennen dessen, als auch die Ablenkung davon, wenn es mal zu viel wird. Das Tolle an Kunst: Durch sie kann beides gelingen.

Im Sommer war ich in einer besonderen Ausstellung in Dortmund, im Phoenix des Lumières, einem Museum, das Kunstwerke in einer Lichtshow zum Leben erweckt und mit Musik untermalt (siehe Bild unten).

Anfangs dachte ich, dass mich die vielen Eindrücke und Reize überfordern könnten, weil auf 13 Meter hohen Decken und 3.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche circa eine Stunde lang eine beeindruckende Show dargeboten wird. Allerdings war genau das Gegenteil der Fall. In dieser Stunde waren meine Sinne so gefangen von dem, was ich sah und hörte, dass ich mich danach erholt gefühlt habe, weil ich eine Stunde lang an nichts anderes gedacht habe und zum Beispiel auch mein Handy und Social Media keine Rolle gespielt haben. Ähnlich geht es mir bei (Rock)Konzerten oder Festivals. 
 

Sich selbst an Kunst probieren

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Kunstschaffen mir und meiner Seele vor allem dann guttut, wenn ich mich vom Anspruch der Perfektion löse. Sobald sich der Anspruch einschaltet, dass das Endprodukt einen gewissen Standard erfüllen muss, kommt Stress in den Prozess des Malens, Zeichnens, Textens oder ähnlichem. „Einfach“ drauf los malen, zeichnen, texten oder basteln kann jedoch so gut für die Seele sein, weil es ebenfalls (wie das Konsumieren von Kunst) entweder dem inneren Erleben Ausdruck verleiht oder Ablenkung sein kann von schwierigen Situationen und dadurch Entspannung bringt.

Manchmal reichen ein Blatt Papier, ein paar bunte Schnipsel, ein Klebestift und ein paar bunte Klekse auf dem Papier (siehe Bild links). Es geht gar nicht darum, dass am Ende ein Ausstellungsstück dabei herauskommt, sondern eher darum, einfach mal zu probieren.

Kleine Notiz am Rande: Selbst bei kleinen Kindern in der Kita oder Grundschule empfehlen Pädagog*innen seit Jahren die Endergebnisse und Bilder nicht mit „wie schön“, „toll“ oder ähnlichem zu loben, sondern das Kind zu fragen, was das Bild darstellt, welche Farben es verwendet hat usw. Das unterstützt die kreative Entwicklung des Kindes viel mehr als eine Bewertung der Leistung. Kunst braucht keine Bewertung in Schulnoten.

Ein tolles Konzept, um sich selbst an Gedichten und Wortkunst auszuprobieren, habe ich auf Instagram bei Whitney Hanson (@whitneyhansonpoetry) entdeckt: Sie hat ein Buch herausgebracht namens „in poetry we say“ (dt. „in der Poesie sagen wir“). Darin gibt sie je Seite eine erste Zeile vor, z. B. „In English we say: Everywhere I look, I see you. In poetry we say …“ (dt. „Im Englischen sagen wir: Überall, wo ich hinsehe, sehe ich dich. In Poesie sagen wir …“), und danach stehen leere Zeilen. Es ist eine Einladung dazu, dieses Gefühl oder diese Erfahrung mit anderen Worten zu beschreiben. Einige der Seiten aus ihrem Buch teilt sie auf Instagram, und in den Kommentaren stehen die Zeilen von Personen, die sich daran versucht haben. 
 

Die Natur als Kunstwerk

Eine Sache sei noch gesagt. Kunst können wir an so vielen Stellen im Alltag finden, wenn wir mit offenen Augen durch die Welt gehen. Gott ist Künstlerin. In der Natur entdecke ich oft die beeindruckendsten Kunstwerke: einen in mehrere Farben getauchten Himmel, an dem die Wolken beim Sonnenuntergang orangerot und rosa glühen; Gebirgsformationen, die gewaltig und atemberaubend sind; Wälder mit einer Vielfalt an Pflanzen, Blumen und Tieren, die so detailliert und wunderschön gestaltet sind; und nicht zuletzt uns Menschen, die vielfältig und schön sind, ganz einzigartig und wunderbar gemacht. Nicht nur in Psalm 139 steht, dass Gott uns Menschen kunstvoll geschaffen hat. Es reicht also eigentlich ein Blick in den Spiegel, um ein Kunstwerk zu sehen.
 

Empfehlungen

Wer nun ein bisschen mehr auf den Geschmack gekommen ist, Kunst zu genießen, dem kann ich folgende Künstler*innen ans Herz legen:

Micha Kunze (@michakunze_), der auf Instagram und Spotify seine Wortkunst teilt.

Sarah Marie (@sarahmariepoetry), die auf Instagram ihre Gedichte teilt und bereits verschiedene Gedichtbände veröffentlicht hat.

Whitney Hanson (@whitneyhansonpoetry), die auf Instagram viele ihrer Gedichte teilt

Das Album „Selah“ von Elli (auf Spotify verfügbar).

Oder erkunde doch mal die Museen und Theater in deiner Nähe oder probiere dich daran aus, Kunst zu schaffen. Dafür brauchst du dir nicht direkt eine Staffelei und teure Öl- oder Acrylfarben anzuschaffen. Starte doch mit Papier und Stift! 

 

Christin Stöcker

Christin Stöcker ist Jugendreferentin beim Gemeindejugendwerk NRW und zeigt auf Instagram unter @christinstable ihre Liebe für Kreatives, Musik und das Leben in seinen unterschiedlichen Facetten.