Der Satan – Rebell oder Staatsanwalt?
Von Antonio Israel | Erschienen in HERRLICH 01|2023, Seiten 18-21 | 6:66 MIN
Die Heiligen Drei Könige: In der Bibel sind sie weder heilig. Noch waren sie zu dritt. Noch waren sie Könige. Tatsächlich erzählt die Bibel von einer unbestimmten Zahl heidnischer Astrologen (Mt 2). Aber wer macht sich schon die Mühe, richtig nachzulesen. Die Story erzählt sich mit drei heiligen Königen einfach besser.
Satan – ein Rebell?
Ähnlich ist es mit der Story vom Satan. Satan sei einst einer der hoch angesehenen Engel gewesen. Dann wollte er Gottes Platz als Herrscher einnehmen und führte einen Aufstand der Engel gegen Gott an. In Gestalt der Schlange verführte er Adam und Eva im Paradies, um das Böse in die Welt zu bringen. So oder so ähnlich hält sich seit Generationen die volkstümliche Geschichte vom Satan. Doch wo steht diese Geschichte eigentlich in der Bibel?
Im Mittelalter wurden einzelne Verse aus den Propheten herangezogen: „Hochmütig war dein Herz geworden […] Ich stieß dich auf die Erde hinab.“ (Hes 28,17). Oder: „Wie bist du vom Himmel gefallen, Strahlender, du Sohn der Morgenröte.“ (Jes 14,12). Diese Verse passen schön zu der Story eines aufstrebenden und fallenden Satans. Das Problem ist nur: Es geht in diesen Prophetenworten nicht um Satan! Die Mahnworte richten sich ausdrücklich an die Könige von Babel und Tyrus. Sie werden ihrer Verantwortung als Könige nicht gerecht. Wollen immer mehr Macht. Deswegen nimmt Gott ihnen ihre Schönheit und Macht wieder weg.
Satan – Versucher und Ankläger
Es gibt andere Texte in der Bibel, die tatsächlich etwas über den Satan aussagen. Hiob 1-2 zum Beispiel. Satan ist einer der Engel (wörtlich: „Gottessöhne“ – so werden im Ersten Testament die Engel auch genannt). Satan hat, wie die anderen Engel, freien Zugang zu Gott. Er geht zu Gott hin und macht ihn auf den Menschen Hiob aufmerksam. Hiobs Glauben sei nicht sehr belastbar. Bei der richtigen Versuchung würde sich Hiob von Gott abwenden. Um das nachweisen zu können, bittet Satan Gott um Erlaubnis, Hiob versuchen zu dürfen – und Gott stimmt zu.
So sieht doch keine Rebellion aus oder der Kampf um den Thron Gottes! Satan erkennt die Autorität Gottes an. Er weiß, dass er nichts tun kann, ohne Gottes ausdrückliche Genehmigung. Also holt sich Satan für jede Versuchung dessen Einverständnis. Auch Gott bekämpft nicht den Satan, sondern er geht auf seine Bitte ein.
Ein weiterer Text über den Satan ist Sacharja 3,1-7. Jehoschua soll mit Gottes Segen als Hohepriester eingesetzt werden. Satan kommt hinzu und klagt Jehoschua an. Er habe Schuld auf sich geladen und sei somit nicht würdig für dieses heilige Amt. Gott stimmt Satan zu. Die Sünde ist von Satan richtig erkannt. Doch anstatt Jehoschua zu verwerfen, vergibt Gott die Sünde. Jehoschua ist nun rein und kann sein Amt antreten.
Hiob und Sacharja geben einen Schlüssel dafür, wie Satan biblisch zu verstehen ist. Satan versucht und klagt an. „Ankläger“, das ist auch die Bedeutung des hebräischen Wortes „Satan“. Er ist wie ein Staatsanwalt, der alles in Bewegung setzt, um gegen den Angeklagten etwas in der Hand zu haben. Satan sucht nach den Schwachpunkten der Menschen. Wo lässt sich ein Mensch von Gott wegführen? Genau genommen bringt Satan nicht das Böse in die Welt. Er weist nach, dass der Mensch das Böse bereits in sich trägt.
Gott – Der Herr über die Versuchung
Gott ist heilig und rein.1 Gott liebt das Gute. Und sein Sinn für Gerechtigkeit fordert eine genaue Prüfung des Menschen. Wer Böses in sich trägt, kann nicht in die Gegenwart Gottes kommen. In der Bibel ist von Gottes Zorn die Rede, der sich gegen Menschen richtet, wenn sie böse sind.
Das Erste Testament berichtet folgendes: König David will wissen, wie mächtig sein Militär ist. Er lässt deswegen eine Volkszählung durchführen. Gott gefällt dieses Vertrauen auf militärische Stärke nicht. Er ist gegen die Volkszählung. 2 Samuel 24,1 berichtet, dass Gott dennoch David anstiftet zu dieser Zählung. Als eine Art Prüfung, die David in diesem Fall aber nicht besteht. 1 Chronik 21,1 erzählt diese Geschichte genauso. Mit einem Unterschied! Hier ist es der Satan, der David zur Volkszählung anstiftet. Wie kann das sein? Ist es nun Gott, oder ist es Satan, der David versucht? Dieser Widerspruch wird in den Texten nicht geklärt. Oder ist es vielleicht gar kein so großer Widerspruch?
Jesus betet im Neuen Testament das Vaterunser. Darin heißt es: „Vater unser im Himmel, führe uns nicht in Versuchung“ (Mt 6,13). Warum betet Jesus so? Weil es Gott ist, der die Versuchung in der Hand hat! Es ist auch der Geist Gottes, der Jesus in die Wüste führt, damit er dort vom Satan versucht wird (Mt 4,1).
Offenbar ist das, was Satan tut und was Gott will, viel besser aufeinander abgestimmt, als man gemeinhin annehmen würde. Satan ist kein von Gott losgelöster Rebell. Nein, er tut nur, wozu Gott ihm die Erlaubnis gibt. Und mit dieser Erlaubnis Gottes sucht Satan die Menschen nach ihren „faulen“, sündhaften Stellen ab.
Paulus geht in seinen Briefen sogar davon aus, dass Gott das Handeln Satans nutzt, um Menschen zum Glauben zu führen oder sie im Glauben reifen zu lassen (1 Kor 5,5; 2 Kor 12,7; 1 Tim 1,20).
Handelt Satan etwa im Auftrag Gottes? Oder nutzt Gott die Versuchungen des Satans einfach nur sehr geschickt für seine heiligen Zwecke? Das beantworten die biblischen Texte nicht. Sicher ist aber: Gott ist der Herr! Auch über den Satan.
Satan und die gefallenen Engel
Die Texte im Ersten Testament der Bibel erzählen nur am Rande von Satan. Man könnte sagen, er spielt fast eine Nebenrolle. Doch im jüdischen Volksglauben gab es noch weitere Geschichten über Satan, Engel und Dämonen. Einige von ihnen sind in den jüdischen apokryphen Schriften erhalten.
Es wird berichtet von einer Gruppe von Engeln. Sie kamen verbotenerweise auf die Erde und schliefen mit Menschentöchtern. In 1 Mose 6,1-4 wird diese Geschichte nur kurz erwähnt. Das apokryphe äthiopische Henochbuch und die Jubiläen erzählen ausführlicher. Gott missfiel dieser Ausflug. Er verbannte die Engel wegen ihres Vergehens in die Unterwelt. Man nannte sie fortan die „Gefallenen Engel“. Auch im Neuen Testament wird auf diese „Gefallenen Engel“ Bezug genommen (1 Kor 11,10; 2 Petr 2,4; Jud 6).
Nach dem apokryphen Buch Jubiläen trat Satan bittend an Gott heran. Er kam mit dem Versuchen der vielen Menschen an seine Kapazitätsgrenze. Also bat er Gott, dass er ihm einen Teil der gefallenen Engel als Diener zur Verfügung stellte. Gott stimmte dieser Bitte zu und verlieh dem Satan somit mehr Einflussmöglichkeiten.
In dieser und in anderen Geschichten der Apokryphen wandelt sich die Rolle Satans. Hat er im ersten Teil der Bibel noch eine Nebenrolle, wird er in den Apokryphen zum Global Player, zum Herrscher über böse Geister und gefallene Engel. Doch immer noch bleibt Satan unter Gottes Herrschaft.
Die Geschichten der Apokryphen sind bewusst nicht in den Kanon der Bibel aufgenommen worden. Sie sind recht phantastisch und vermutlich auch etwas phantasievoll. Manche jüdische Gelehrte, wie die Sadduzäer, lehnten ihre Engellehren grundlegend ab. Und doch hilft ein wenig Einsicht in die Apokryphen, um die Rolle des Satans und der gefallenen Engel im Neuen Testament einordnen zu können.
Jesus und der Sturz Satans
Im Neuen Testament kommt Satan nun eine wichtige Rolle zu. Jeder Mensch ist in seinem Herzen verdorben (Röm 3,9-12) und jeder ist deswegen unter die Herrschaft des Satans gefallen (Apg 26,18). Entsprechend wird Satan als „Fürst der Welt“ oder „Herr dieses Zeitalters“ bezeichnet (Lk 4,6; 2 Kor 4,4).
Doch die gute Nachricht des Neuen Testamentes ist: Gott wendet sich ab von der Versuchung. Er entscheidet sich, den Menschen zu vergeben und sie von dem Bösen zu erlösen. Er sendet Jesus Christus als Retter auf die Erde. Er richtet die Herrschaft Gottes auf und befreit die Menschen aus der Herrschaft des Satans (Mk 3,27-28).2 Jesus spricht im Namen Gottes die Vergebung der Sünden zu und befreit aus satanischen Bindungen (Mk 2,1-12; Lk 13,10-17).
Außerdem sieht Jesus den Satan „wie einen Blitz vom Himmel fallen“ (Lk 10,18). Satan hat nun nicht mehr, wie bei Hiob beschrieben, freien Zugang zum himmlischen Hofstaat. Gott hört ihm nicht mehr zu. Auch Offenbarung 12,7-11 berichtet davon, dass Satan aus dem Himmel geworfen wird. Er leistet zunächst Widerstand, hat aber keine Chance. Er muss gehen. Sein Einfluss am Thron Gottes hat ein Ende. Ihm bleibt nur noch eine kurze Frist, bis er endgültig vernichtet wird (Offb 20,10). Stattdessen bekommt Jesus Christus, der die Vergebung und Erlösung bringt, den einflussreichen Ehrenplatz an der rechten Seite Gottes (Hebr 1,3).
Heidenstorys oder die Bibel
Rebellion. Offene Kämpfe um die Macht im Himmel. In den heidnischen Mythen gab es zahlreiche solcher mitreißenden Storys: die römische Geschichte vom Morgenstern Luzifer, die babylonische Erzählung von einem aufsteigenden und stürzenden Stern. Manche heidnischen Motive wurden in die christliche Mythologie übertragen. Aus den Geschichten heidnischer Religionen wurde die Geschichte eines aufstrebenden Satans, der einen Aufstand gegen Gott anführt.
Biblisch lassen sich solche Storys nicht begründen. In der Bibel handelt Satan immer nur in dem Rahmen, den Gott ihm vorgibt. Nichts geschieht gegen Gottes Willen. Gott begrenzt die Macht des Satans nicht nur, er beendet sie! Anstatt mit der Versuchung weiterhin den Menschen das Böse nachzuweisen, entscheidet Gott, die Menschen durch Jesus Christus von dem Bösen zu befreien!
Antonio Israel ist Pastor in Glauchau und Meerane, in Sachsen, liebt Bouldern und grillt gern mit Freunden.
1 Habakuk 1,13: „Du [Gott], unser Fels, du hast sie dazu bestimmt, uns zu bestrafen. Deine Augen sind zu rein, um Böses mit anzusehen.“
2 Apostelgeschichte 26,18: „Du sollst ihnen die Augen öffnen, damit sie sich von der Finsternis dem Licht zuwenden und aus der Herrschaft des Satans zu Gott kommen. Dann werde ich ihnen die Sünden vergeben, und weil sie an mich glauben, haben sie einen Platz unter denen, die zu mir gehören.“