Widerstände überwinden: Der GJW-Filmtipp im Mai

Im aktuellen GJW-Filmtipp geht es um Menschen, die Widerstände überwinden: Widerstände politischer Natur, Widerstände durch eine Behinderung oder Widerstände aus Schicksalsschlägen. Doch gegen welche Widerstände sollen wir kämpfen und welche müssen wir akzeptieren?

Die Widerständigen
„Die Filme, die ich mache, müssen gemacht werden. Weil wenn die Menschen tot sind, sind sie tot. Und dann erzählt niemand mehr, dann haben wir nur noch die Gestapo-Protokolle und dann haben wir nur noch die Dokumente der Täter. Das geht doch nicht.“ Mit dieser Überzeugung widmete sich Filmemacherin Katrin Seybold zu Lebzeiten der Dokumentation des Holocausts. Ihren letzten Film „Die Widerständigen - also machen wir das weiter...” konnte sie jedoch nicht mehr vollenden. Ihre Kollegin Ula Stöckl griff auf die von Seybold über viele Jahre geführten Interviews zurück und fügte sie zu einem Dokumentarfilm zusammen.
Filme über den Holocaust gibt es viele und doch sticht „Die Widerständigen“ heraus. Hier sprechen Überlebende über ihre eigenen Erlebnisse. Die Interviews sind von derartiger Intensität, als würden die Protagonist_innen direkt vor uns sitzen und mehr als ein Abbild auf der Leinwand sein. „Die Widerständigen“ erzählen aber nicht nur Geschichten von Opfern, sondern vor allem von Kämpfer_innen, nämlich von den Aktivitist_innen der Weißen Rose, die auch nach dem Tod der Geschwister Scholl aktiv waren. Für ein junges Publikum ab 12 Jahre ist dieser Film wie eine Geschichtsstunde mit den Urgroßeltern, nicht belehrend, sondern aus dem Herzen kommend. Und selbstredend bietet dieser Film auch Gelegenheit, miteinander über den Holocaust ins Gespräch zu kommen. Eine thematische Vorbereitung des Films hinsichtlich der Geschichte der Geschwister Scholl ist insbesondere für ein jüngeres Publikum sinnvoll.

Kinostart: 7. Mai 2015
Ausschnitt: http://www.kino-zeit.de/filme/trailer/die-widerstaendigen-also-machen-wir-das-weiter


Zweite Chance
Auch das Ehepaar Andreas und Anna sieht sich mit Widerständen konfrontiert, denn die frisch gebackene Kleinfamilie trifft ein furchtbarer Schicksalsschlag. Doch Andreas hadert nicht lange mit dem Schicksal, sondern glaubt alles „wieder gut“ machen zu können. Damit aber setzt er eine Kette unheilvoller Ereignisse in Gang. Das eigene Schicksal ist am Ende eben doch nicht zu kontrollieren.
Susanne Bier präsentiert zwei Paare, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und verleitet uns dazu, ein vorschnelles Urteil darüber zu fällen, wer ein Kind verdient hat und wer nicht. Am Ende konfrontiert sie uns mit einem Handlungstwist, der unsere Vorurteile gnadenlos entlarvt. Damit kann „Zweite Chance“ viele Diskussionen über Gottes Plan für unser Leben anstoßen. Jede_r kennt das Gefühl, dass der aktuelle Verlauf des eigenen Lebens doch eigentlich ungerecht sei. Inwiefern dürfen wir unser Leben selbst zurück in die vermeintlich richtigen Bahnen lenken und wann sollten wir uns auf Gottes Gnade verlassen? Darüberhinaus motiviert uns Susanne Bier über die eigenen Vorurteile gegenüber anderen Menschen nachzudenken. Wie wirken sich äußere Merkmale wie Kleidung auf unsere (moralische) Einschätzung von Personen aus und wie können wir uns selbst vor diesen voreiligen Schlüssen schützen?
„Zweite Chance“ ist ein sehr ruhig erzählter Kriminalplot, der mit expliziter Gewalt sparsam umgeht und Konflikte eher psychologische verhandelt. Insofern ist Susanne Biers Film ohne Weiteres für ein Publikum ab 12 geeignet.

Kinostart: 14. Mai 2015
Trailer: https://youtu.be/RBpJJ5wtOaM


Dora oder die sexuellen Neurosen unserer Eltern

In Doras Leben gibt es ziemlich viele Widerstände, denn auf Grund ihrer geistigen Behinderung ist die junge Frau von vielen alltäglichen Aktivitäten ausgeschlossen. Doch Dora (Victoria Schulz) sucht und findet ihren Weg, sogar den zu einer eigenen aktiven Sexualität. Doch während sie die Treffen mit ihrem Liebhaber Peter (Lars Eidinger) als Momente des Glücks empfindet, sehen ihre Eltern hierin eine Vergewaltigung. Als Dora schließlich von Peter schwanger wird, scheint ihre Familie dieser Herausforderung nicht mehr gewachsen zu sein.
„Dora oder die sexuellen Neurosen unserer Eltern“ spricht viele Themen und Probleme an, vielleicht gar zu viele, ohne jemals eine eindeutige Antwort zu geben. Damit fordert Regisseurin Stina Warenfels ihr Publikum sowohl zum Mitdenken als auch zu einer Positionierung heraus. Behinderung und Sexualität, Behinderung und Schwangerschaft – das sind nur zwei der Themen, die mit Jugendlichen vor- und nachbereitet werden können. Warenfels’ Film aber wirft noch andere Fragen auf, wie die nach der Legitimität von Abtreibung und künstlicher Befruchtung. Der Emanzipationsprozess eines pubertierenden Kindes von den Eltern bietet sich hier ebenso als Gesprächsstoff an wie die Definition des Begriffs „Vergewaltigung“. Wenn eine Vergewaltigung keine ist, sobald sie vom vermeintlichen Opfer als etwas Schönes betrachtet wird, bedeutet das dann im Umkehrschluss auch, dass all jene Taten als „Vergewaltigung“ gelten müssen, die vom Opfer als solche empfunden werden?
Auf Grund seiner Darstellungen von Sexualität und sexueller Gewalt sowie der ethisch-moralischen Komplexität der aufgeworfenen Themen, ist „Dora und die sexuellen Neurosen unserer Eltern“ für Jugendliche ab 16 Jahren geeignet.

Kinostart: 21. Mai 2015
Trailer: https://youtu.be/3KJa-oWyDFw

 

Sophie-Charlotte Rieger
www.filmloewin.de