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„Man sieht nur mit dem Herzen gut ...“

„Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“, lernte einst der kleine Prinz in Antoine de Saint-Exupérys gleichnamiger Erzählung. Deshalb - auch wenn sich das mit dem audiovisuellen Medium Kino zu widersprechen scheint - soll es diesmal im Filmtipp um unsichtbare Dinge gehen, die gesehen werden wollen.

 

Luca tanzt leise

Luca ist Mitte zwanzig und holt gerade ihr Abitur nach, doch eine Adoleszenzkrise droht ihr einen Strich durch die Rechnung zu machen. Nicht nur, dass Luca Schwierigkeiten hat, ihrem Leben eine produktive Struktur zu verleihen, auch die Abgrenzung von ihr nahestehenden Menschen gestaltet sich äußerst problematisch. Es scheint, als habe jeder mehr Macht über ihr Leben als sie selbst. Zum Beispiel die beste Freundin, die Luca kurz vor der Abiturprüfung zu einem Partywochenende verführt. Oder der (Ex-)Freund Ben, der Lucas seelischen und körperlichen Grenzen überschreitet, wann immer es ihm passt. „Luca tanzt leise“ erzählt vom Kampf um den eigenen Selbstwert und um jene verletzlichen Persönlichkeitsanteile, die wir lieber vor der Welt verstecken. Lucas Hund Marta steht für das „innere Kind“ der Heldin, das sie hinter einer Fassade aus Coolness und Abgeklärtheit versteckt, das sie aber nicht nur akzeptieren, sondern vor allem lieben lernen muss. Und so stellt der Film auch an uns die Frage, was wir uns selbst wert sind, woran wir unseren Selbstwert knüpfen und wie wir die notwendige Liebe zu uns auch in Zeiten von Identitätskrisen aufrechterhalten können. Kurzum: „Luca tanzt leise“ ist der ideale Film für Jugendliche auf der Schwelle zur Pubertät.

Kinostart: 19. Januar 2017
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Personal Shopper

In „Personal Shopper“ begegnet die junge Heldin Maureen verschiedenen Geistern. Da ist ihr Freund, dem sie nur virtuell nahe sein kann. Da ist ihre prominente, aber zumeist unsichtbare Auftraggeberin, für die Maureen Einkäufe erledigt. Und da ist ihr verstorbener Zwillingsbruder, zu dem sie post mortem Kontakt aufnehmen möchte. Aber wer ist der Unbekannte, der ihr ständig Nachrichten schreibt? Ihr Bruder? Oder doch ein ganz anderer Geist? „Personal Shopper“ ist lange nicht so gruselig, wie es der Trailer vermuten lässt. Wie schon in seinem vorhergehenden Film inszeniert Olivier Assayas im Grunde eine Selbstfindung, die Maureen hier durch die Emanzipation von ihren „Geistern“ vollziehen kann. Damit ist auch „Personal Shopper“ eine klassische Coming-of-Age-Geschichte. Darüber hinaus jedoch wirft der Film auch Fragen zum Umgang mit digitaler und indirekter Kommunikation auf: Wo stecken die Gefahren, worin der Reiz an der Anonymität der virtuellen Realität? Sind wir vielleicht am Ende des Tages selbst bereits Geister? Nicht auf Grund des Gruselfaktors, sondern wegen der ruhigen Erzählweise, vor allem aber der Komplexität von Geschichte und Inszenierung eignet sich „Personal Shopper“ vor allem für Jugendliche ab 16 Jahren.

Kinostart: 19. Januar 2017
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Hidden Figures

Wer kennt Katherine Johnson, Dorothy Vaughan und Mary Jackson? Niemand? Unglaublich, haben diese Frauen doch erheblich zum ersten bemannten Weltraumflug der US-Amerikaner beigetragen. „Hidden Figures“ erzählt spannend und ergreifend von den Hürden, vor allem aber den Erfolgen dieser drei außergewöhnlichen Frauen und setzt diesen viel zu lange unsichtbaren Menschen ein würdiges Denkmal. Die große Stärke des Films liegt in der eindrücklichen Vermittlung von struktureller Diskriminierung. Das Publikum erlebt die Erniedrigung der Heldinnen hautnah mit und wird damit herausgefordert, eigene Stereotype in Frage zu stellen. Damit liefert „Hidden Figures“ nicht nur eine ideale Basis für Gespräche über die US-amerikanische Bürgerrechtsbewegung, sondern auch einen Ausgangspunkt für die Analyse unserer eigenen Gesellschaft. Welche Bevölkerungsgruppen sind in Deutschland auch heute noch von Mehrfachdiskriminierung betroffen? Wen machen wir unsichtbar? Welche Vorurteile tragen wir mit uns selbst herum? Wann bleiben wir an Stereotypen und Äußerlichkeiten hängen, ohne zum Wesentlichen vorzudringen? Und wie können wir das ändern? Als Blockbuster mit klassischer Spannungsdramaturgie ist „Hidden Figures“ schon für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren ein lehrreiches Vergnügen.

Kinostart: 2. Februar 2017
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Ein Artikel von Sophie Charlotte Rieger 
(www.filmloewin.de)