Filmplakat Ralph Reichts, © Disney

GJW-Filmkritik: Ralph reichts (Bild: © Disney)

Der diesjährige Disney Weihnachtsfilm verleiht Einblick in die geheime Welt der Videospielfiguren. Im Mittelpunkt steht der Pixel-Bösewicht Randale-Ralph, der in eine Identitätskrise gerät und auf die Seite der Guten wechseln möchte. Das ist jedoch gar nicht so einfach, denn auch die Gesellschaft der Automatenspiele hat eine feste Rollenverteilung. 

Randale-Ralph lebt in einem 8-bit Arcade-Automaten. Seine Aufgabe ist es, ein Gebäude zu zerstören, das daraufhin durch den Spieler und den ewig lächelnden Fix-It Felix Jr. wieder instand gesetzt wird. Doch Ralph hat die Nase voll davon, immer nur alles kaputt zu machen und als Bösewicht dazustehen. Auch er möchte einmal ein Lob in Form einer Medaille erhalten. Dann, so glaubt er, werden die anderen Spielefiguren endlich liebevoll mit ihm umgehen. Auf der Suche nach der ersehnten Medaille betritt Ralph fremde Spielewelten und freundet sich mit Vanellope von Schweetz an, die ebenfalls von der Gesellschaft ihres Spiels ausgeschlossen wird. Gemeinsam kämpfen sie darum, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und sich nicht von anderen diktieren zu lassen, welche Rolle sie zu spielen haben.

„Ralph Reichts“ ist ein typischer Pixar Film, der dem Zuschauer Einblick in eine vollkommen neue Welt ermöglicht. Wie schon bei „Toy Story“ oder „Monster AG“ hat sich das Team um Produzent John Lasseter Mühe gegeben, das Universum der Filmfiguren möglichst detailliert zu erschaffen. Fast 190 verschiedene Figuren treten im Film auf. Einige davon, die realen Videospielen entliehen sind, stellen bekannte Gesichter dar. Zudem hat die komplett aus Süßigkeiten konstruierte Heimat von Vanellope, das Spiel „Sugar Rush“,  insbesondere für Kinder einen hohen Wiedererkennungswert. Wenn Fix-It Felix im Kakao-Treibsand versinkt oder Mentos warme Cola wie ein Geysir in die Luft spritzen lassen, kann das kleine wie große Zuschauer gleichermaßen amüsieren. In guter Alter Disney-Tradition gibt sich „Ralph Reichts“ Mühe, nicht nur Kinder, sondern auch deren Eltern anzusprechen und somit Unterhaltung für die ganze Familie zu bieten. Mit intelligentem Wortwitz und Anspielungen auf reale gesellschaftliche Probleme gelingt es Regisseur Rich Moore, auch das erwachsene Publikum durchgehend unterhalten.

Der pädagogische Kern von „Ralph Reichts“

Auch wenn Videospiele im Allgemeinen eher selten mit Pädagogik in Verbindung gebracht werden, hat „Ralph Reichts“ eine eindeutige erzieherische Intention. Der Ansatz, mit Hilfe von Gaming-Figuren eine Moral zu transportieren, ist hierbei cleverer als es auf den ersten Blick scheint. Der Film holt die Kinder genau dort ab, wo sie sich am liebsten aufhalten: am Computer. Er bietet eine unterhaltsame Geschichte, sympathische Figuren und jede Menge bekannte Details, die es erleichtern, in die fremde Welt einzutreten und ihre Regeln zu verstehen. Während für erwachsene Zuschauer die moralische Keule sehr deutlich sein dürfte, wird insbesondere jüngeren Kindern hier unbemerkt eine wichtige Botschaft vermittelt: Du bist toll, genauso wie Du bist! 

Ralph und Vanellope haben einen schweren Stand in der Gesellschaft, in der sie leben. Ralph ist auf die Rolle des Bösewichts festgelegt und scheint nicht in der Lage, sich daraus zu befreien. Vanellope ihrerseits wird auf Grund einer Behinderung von den anderen Spielefiguren ausgegrenzt, die sie immer wieder daran erinnern, dass sie nichts anderes als ein bedauerlicher Unfall ist. Beiden wird keinerlei Wertschätzung oder Liebe entgegenbracht. Im Grunde handelt es sich um zutiefst tragische Figuren. Sowohl Ralph als auch Vanellope glauben, dass sie sich mit Hilfe äußerer Errungenschaften die Liebe ihrer Mitmenschen erkaufen können: Ralph will eine Medaille und Vanellope ein Autorennen gewinnen. Im Laufe der Geschichte aber wird ihnen klar, dass sie sich nicht verändern müssen, um akzeptiert zu werden. Der Fehler liegt nicht bei ihnen! Jeder ist perfekt genauso wie er ist. Jeder Job, so undankbar er auch erscheinen mag, ist bedeutsam und bereichert die Gemeinschaft. Das Besondere am Konzept von „Ralph Reichts“ ist, dass sich die Protagonisten am Ende nicht in Prinzen und Prinzessinnen verwandeln, sondern so bleiben wie sie sind. Durch die Abenteuer, die sie gemeinsam mit den anderen Wesen der Spielewelt erleben, haben sie endlich Gelegenheit zu zeigen, was in ihnen steckt. Die lang ersehnte Anerkennung erhalten sie aber nicht über materielle Errungenschaften, sondern indem sie sich selbst treu bleiben. 

Diese im Prinzip simple pädagogische Botschaft kann für ältere Kinder erweitert werden. Ralph steht für Menschen, die in unserer Gesellschaft auf Grund ihrer Herkunft oder wegen früherer Fehltritte auf eine negative Rolle festgelegt sind und denen es nur schwer möglich ist, sich aus dieser von außen auferlegten Identität zu befreien. Vanellope steht für Personen, die auf Grund von körperlichen oder geistigen Einschränkungen von der großen Masse als „anders“ oder „falsch“ ausgegrenzt werden. „Ralph Reichts“ macht die Situation dieser Figuren ohne Vorwurfshaltung verständlich. Somit kann der Film für das Thema Ausgrenzung sensibilisieren. Gleichzeitig macht er Mut, sich selbst und seinen Werten treu zu bleiben. 

KINOSTART: 6. Dezember

Sophie Charlotte Rieger (www.filmosophie.com)