Heiter bis wolkig (copyright: Constantin)

Filme über das Sterben

"Heiter bis wolkig" und "Liebe"

Als wäre es noch nicht traurig genug, dass sich die Sonne mehr und mehr verabschiedet und es im Herbst nicht nur kühler, sondern auch dunkler wird, hat das Kinoprogramm in dieser Jahreszeit auffällig viele Filme zu bieten, die sich den Themen Tod, Krankheit und Vergänglichkeit widmen. Vielleicht aber können wir diesen Umstand auch positiv deuten und den Herbst als eine Zeit betrachten, in der wir eher geneigt sind, uns auch mit dieser Seite des Lebens zu beschäftigen, die ebenso Teil unseres Daseins ist wie beschwingte Sommertage. Dabei gibt es unterschiedliche Wege, sich dem Thema anzunähern. Während „Heiter bis wolkig“ einen tragikomischen Ansatz wählt, mutet Michael Haneke dem Publikum mit seinem Film „Liebe“ einen sehr direkte und ungeschönte Darstellung der Vergänglichkeit zu.

 

„Heiter bis wolkig“  - Wenn aus Spaß plötzlich Ernst wird

Tim (Max Riemelt) und sein bester Kumpel Can (Elyas M’Barek) sind unternehmungslustige Singlemänner auf der Suche nach erotischen Abenteuern. Doch einer ihrer erfolgreichsten Anmachtricks geht unerwarteter Weise vollkommen in die Hose. Die Strategie: Can spricht ein Mädchen an und erzählt diesem, Tim sei schwer krank und dem Tod nahe. Sein letzter Wunsch sei eine Nacht mit einer Frau. Dummer Weise gerät er jedoch an Marie (Anna Fischer), deren Schwester Edda (Jessica Schwarz) tatsächlich an einer unheilbaren Krebserkrankung leidet. Als Tim beginnt, sich in Marie zu verlieben, lastet seine Lüge immer schwerer auf ihm. Dazu kommt, dass die tatsächlich totkranke Edda sein falsches Spiel schnell durchblickt und ihre Machtposition benutzt, um Tim für diverse Betreuungsaufgaben zu instrumentalisieren. Was als Zweckgemeinschaft beginnt, entwickelt sich zu einer ganz besonderen Freundschaft. Plötzlich ist Tim kein Außenstehender mehr, sondern mittendrin in der Tragik, die der Tod eines jungen Menschen mit sich bringt. Während er vergeblich nach dem richtigen Moment sucht, Marie die Wahrheit zu sagen, verschlechtert sich Eddas Zustand rasant. Die Zeit läuft ab.

Auch wenn „Heiter bis wolkig“ sich dem Thema Tod eher humoristisch annähert, handelt es sich mitnichten um eine Komödie. Regisseur Marco Petry verzichtet zwar auf eine betont tragische Inszenierung der Ereignisse, bringt der Krebserkrankung Eddas aber den notwendigen Respekt entgegen. Jessica Schwarz gelingt es darüber hinaus, das Leid ihrer Figur glaubhaft zu vermitteln. Hin- und hergerissen zwischen Verzweiflung und Trotz fällt es Edda schwer, von ihrer Schwester Hilfe und Trost anzunehmen. Im Grunde ist es nicht nur Tim, der sich verstellt. Auch Edda behält ihr wahres Gefühlsleben für sich. Alle drei Protagonisten müssen im Laufe des Films lernen, sich einander mit allen Schwachstellen zu offenbaren. Nur so können sie füreinander da sein und gemeinsam durch diese schwere Zeit gehen.

Marco Petry hat die richtige Mischung aus Drama und Komödie gefunden. „Heiter bis wolkig“ stürzt den Zuschauer nicht in emotionale Tiefen und ist daher auch für Jugendliche ab 12 Jahren geeignet. Ebenso wenig jedoch banalisiert Petry die Krebserkrankung und fordert sein Publikum somit zu einer Auseinandersetzung mit dem Thema seines Films auf.

 

„Liebe“ – Von der Kraft zwischenmenschlicher Beziehungen

Einen ganz anderen Ansatz als Marco Petry wählt Filmemacher Michael Haneke in seinem Film „Liebe“. Obwohl seit Jahrzehnten nicht mehr frisch verliebt, pflegen Georges (Jean-Louis Trintignant) und Anne (Emmanuelle Riva) noch immer einen sehr liebevollen Umgang miteinander. Als Anne einen Schlaganfall erleidet, zögert Georges daher nicht, ihrem Wunsch gerecht zu werden, seine Frau in den eigenen vier Wänden zu pflegen. Auch als sich ihr Zustand zunehmend verschlechtert und der Aufwand immer größer wird, steht George zu seinem Versprechen, Anne nie wieder in ein Krankenhaus zu bringen.

Michael Haneke erzählt seinen Film mit großer Ruhe. Doch trotz des langsamen Erzähltempos und der reduzierten Handlung zieht die Geschichte von Anne und Georges das Publikum in ihren Bann. Die Kamera erspart dem Zuschauer wenig und lässt ihn auch an den intimen und erniedrigenden Teilen von Annes neuem Leben teilhaben. Dabei verhindert die Distanz zwischen Kamera und Protagonisten jedoch immer eine voyeuristische Perspektive. Hier wird nichts reißerisch zur Schau gestellt, sondern ein immens realistisches Bild davon gezeichnet, wie sich das Leben eines Schlaganfallpatienten und das seiner Mitmenschen verändert. Dass Haneke das Zusammenleben des Paares nicht beschönigt, ist zugleich vorbildlich als auch herausfordernd. Es fällt schwer, sich vom Schicksal der Figuren zu distanzieren und die schonungslose Darstellung ist zuweilen schwer zu ertragen. „Liebe“ ist daher definitiv nicht für Kinder, sondern für junge Erwachsene geeignet, die der sehr intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema emotional und intellektuell gewachsen sind.

 

Gesprächsthemen

Religiöse Anschauungen spielen in „Heiter bis wolkig“ und „Liebe“ kaum eine Rolle. Doch die Geschichten von Edda, Tim, Marie, Georges und Anne können diesbezügliche Gespräche anstoßen. Wie sehen wir als Christen den Tod? Wie wirkt sich unser Christsein auf den Umgang mit Krankheit und der Endlichkeit des irdischen Lebens allgemein aus? Welchen Einfluss hätte dieser Glaube auf die Protagonisten der Filme? „Liebe“ wirft zudem die Frage nach der Legitimität der Sterbehilfe auf und bietet somit die Grundlage für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem sehr kritischen, aber aktuellen Thema

Sophie Charlotte Rieger (www.filmosophie.com)


Zum Weiterlesen:

Langkritik zu „Heiter bis wolkig“
Langkritik zu „Liebe“