Der namenlose Gott
Von Matthias Dichristin | Erschienen in HERRLICH 02|2024, Seiten 26-27
Gott hat viele Namen: Er ist Elohim und Adonai. El Shaddai und Jehovah Jireh. In den Jahren, in denen ich in Südafrika gelebt habe, wurden die Namen gerne beim Beten benutzt. Sie lassen etwas Geheimnisvolles vermuten, sie wirken übernatürlich, sie weisen auf die Größe und Macht Gottes hin.
Gott hat keinen Namen: JHWH. Zumindest soll er nicht ausgesprochen werden. Auf keinen Fall missbraucht. Die Ruhe und das bewusste Schweigen, das Unaussprechliche der Schöpfungkskraft. Diese Unnahbarkeit drückt Heiligkeit aus. Manchmal sagt das Schweigen mehr als alle Umschreibungen.
Heute schreiben viele Menschen G-tt oder auch G*tt. Gott* habe ich auch schon gesehen. Manche regt das auf. Man kann es doch auch übertreiben mit der (gender)gerechten Sprache, meinen sie. Gott ist ein Mann – Vater – sagen die Einen. Das hat doch auch schon Jesus so zu Gott gesagt. Gott hat kein Geschlecht ist klar für die Anderen. Gekünstelte Striche oder Sterne sind folglich völlig überflüssig.
Ich entdecke darin für mich Schönheit. Es macht das Unaussprechliche sichtbar. Ich kann Gott nicht in Worte fassen. Da bleibt eine Lücke, eine Leerstelle oder Schönheit wie ein Stern. Ich bleibe begrenzt in meinem Ausdrücken und bin offen für die unveränderbaren Wandlungen Gottes. Ich rege mich über wenig auf und entdecke lieber die Schönheit in Vielem und das ehrliche Versuchen von Menschen, gute Worte zu finden.
In diesem Text möchte ich aber bei den Worten bleiben, die Gott selbst über seinen Namen gesagt hat. Besser gesagt bei den deutschen Übertragungen davon. Als Pädagoge wage ich mich an das Hebräische nicht heran. Diese Vielfalt ist schon nur im Deutschen interessant – diese Antwort auf eine Frage von Mose in Exodus 3,14 wer ER denn sei:
Ich werde sein, der ich sein werde, schreibt Luther oder kurz danach total verdichtet: Ich werde sein.
Ich bin der, der da ist, sagt die Neue Genfer Übersetzung oder kurz: Ich bin da.
Ich bin, der ich bin, schreibt die Elberfelder Übersetzung oder ganz einfach nur: Ich bin.
Damit soll es auch schon gut sein, weil alleine diese Namenskreativität von JHWH, der nicht groß erwähnt werden soll, meinen Verstand sprengt. Eine Kreativität, die den Raum zum Denken und Fühlen aufmacht, wie ein Fenster, das frische Luft hineinlässt, den Blick in die Natur eröffnet und die Nase mit unterschiedlichen Gerüchen füllt.
Gott ist.
Er ist, der er ist.
Gott ist da.
Sie ist die, die da ist.
Gott wird sein.
Es ist das, was es sein wird.
Kurz mit den Worten gespielt, um einen neuen Eindruck zu gewinnen. Neue Perspektiven, die auch einen Blick in die Weite und Tiefe meines Seins und meines Glaubens geben.
Für mich ist es tröstlich, dass Gott da ist. Diese Mitte des oben geschriebenen Dreiklanges ist für mich Glaubensgrundlage und Stütze für mein Leben. Gott hat sich durch die Schöpfung diese Welt zu eigen gemacht, er verbündet sich mit der Welt, den Menschen und ihren Geschichten durch Jesus Christus und gibt spürbar Trost und Leitung durch die Heilige Geistkraft. Immer mehr möchte ich verstehen, welche grundlegende und lebensbejahende Kraft von diesem Namen Gottes ausgeht, der eine übernatürliche Präsenz in, mit und durch alles glaubt.
Ein solcher Glaube kann mit großer Gelassenheit durch das Leben und die Welt gehen und sagen: Gott wird sein. Egal was kommt. Es ist das, was es sein wird. Und es gilt: Gott wird darin sein und sich zeigen. Die Heilsgeschichte mit uns Menschen und dieser Welt wird zum Ende kommen - Glaube, Hoffnung und vor allem Liebe werden bleiben. Über den Tod hinaus und in alle Ewigkeit. Große Worte, die für mich in diesem Leben große Geheimnisse bleiben. Wie schön, wenn ich fröhlich sagen kann, es ist das, was es sein wird.
Weil Gott ist. Nicht die Fragen und Zweifel bestimmen das Leben. Gott ist. Nicht die Fragen, wer Gott ist oder was Gott will. Nicht die theologischen Herausforderungen, warum Gott dieses oder jenes zu- oder unterlässt. Nicht die Verheißungen, dass wir uns bei Gott auf dieses oder jenes verlassen können. Sie sind brüchig diese vermeintlichen Fragen, Antworten, Zweifel und Sicherheiten.
Eine tiefe Ruhe finde ich nur in diesem Geheimnis des Seins: Gott ist.
Ich darf diese Wahrheit für mich ganz persönlich in Anspruch nehmen und zu meinem Lebensdreiklang werden lassen:
Gott ist da. Für mich.
Gott kommt mir nahe in meinen ganz eigenen Lebensumständen.
Gott teilt Freude und Leid nicht aus sicherer Distanz.
Gott ist die Empathie, das Einfühlungsvermögen in Person,
weil Jesus - Immanuel - Gott mit uns - alles durchlebt hat.
G-tt wird sein. Für mich.
G-tt bleibt an meiner Seite, auf meiner Seite - im Leben und Sterben.
G-tt bleibt in Ewigkeit auch Geheimnis. Daher mit Leerstelle in diesem Absatz.
G-tt verständlich für mich am ehesten in Christus.
Der Auferweckte in allem.
Gott ist. Für mich.
Gott ist in allem für mich.
Freundschaft mit den Menschen. Vergeschwisterung.
Solidarität und Treue. Annahme und Fürsorge.
Gott ist so viel. Und für dich?