Unbekümmert Kleben

von Udo Rehmann   |  erschienen in HERRLICH 02|2022  | Seiten 48-49  |  3:04 Min

Was für eine Überschrift. Ein Wortspiel, das seinesgleichen sucht – Nicht! Aber Volkmar Hamp hat mich gefragt, ob ich als scheidender Leiter des Gemeindejugendwerks noch so etwas wie ein Resümee schreiben möchte. Im Sinne, was war gut und was soll werden. Also, schreibe ich und wer diesen Artikel bis zum Schluss liest, hat hoffentlich verstanden, warum ich den kleinen Buchstaben K in die Überschrift eingefügt habe.

Eine wirklich kurze Rückschau

Siebeneinhalb Jahre habe ich das Gemeindejugendwerk leiten dürfen. Dem Dienstbereich Kinder und Jugend in unserem Bund vorzustehen ist eine Ehre, reiht man sich doch in die Liste derer ein, die schon immer für Innovation und Mut in unserer Kirche standen. Außerdem können wir im GJW ja das coole Zeug machen. Von den verrücktesten Videos, über relevante Themen wie Gerechtigkeit und Kinder- und Jugendschutz bis hin zu den herausforderndsten theologischen Perspektiven – ok sagen wir seit Eduard Schütz ;-). Und dazwischen so wunderbare Events wie das BUJU Festival oder MLI oder oder oder. Ich habe es alles gefeiert, oftmals nicht genug mit meinem Team, die hätten viel mehr Glitzer und Anerkennung verdient. Aber gemeinsam haben wir die Normalität gerockt und die Pandemie bespielt. Und dann stehe ich diesen Sommer auf dem BUJU mit 500 anderen Menschen und wir tanzen uns all die Schwere aus dem Körper zu schottischer Folklore Musik. „Collective joy, Udo“, sagte mir Sam Mail immer wieder in Vorbereitung auf das BUJU 2022. Das war ihre, unsere Formel für dieses BUJU Mutiges Herz. Collective joy. Der Moment, wo alle zusammenkommen und die Freude des gemeinsamen Erlebens größer ist als die Summe dessen, was in uns ist. Es ist der Moment, wo das Leben übersprudelt. Sich allem wie ein Feuerwerk entgegenstellt. Und auf einmal ist es da. Das Leben in Fülle. So muss es im Himmel sein, hoffe ich jedenfalls. Das hört sich doch alles sehr unbekümmert an, oder? Wofür braucht es also Kleber? 

Bekümmert sein

Ist das das Gegenteil von Unbekümmert sein? Keine Ahnung. In all den Jahren war es mein Bestreben, das GJW als GJW vor Ort zu denken. Nicht die Bundesgeschäftsstelle ist das GJW alleine, auch nicht die Landes-GJWs sind das Herz vom Gemeindejugendwerk. Sondern jede Ortsgemeinde ist Teil des GJWs. Dort wo Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Woche für Woche Kindern und Jugendlichen, Teens und Jungen Erwachsenen den schönsten Tag in der Woche bereiten (oder zwei oder drei). Ganz treu und nah bei denen, um die es im Dienstbereich Kinder und Jugend geht. Mit so viel Leidenschaft und so viel Herz. Und zusammen vor Ort, in der Region, auf Bundesebene hätten wir alles zusammen, was das GJW ausmacht. Was es so schön und großartig macht. Da hätten wir, was ich EIN-GJW nennen würde. Zumindest dort, wo es in gegenseitiger Akzeptanz und einem barmherzigen Miteinander gelebt werden würde. 

Aber die Kräfte in unserem Bund sind zurzeit eher zentrifugal als zentripetal. Da bleiben Gemeinden von GJW-Veranstaltungen fern, weil wir ja gendern. Da sind wir zu konservativ, weil wir es allen recht machen möchten. Da sprechen Geschwister uns den Glauben ab, weil wir es wagen an Grundüberzeugungen zu rütteln, die ihnen zu lieb und zu teuer sind. Es macht mir Sorgen und Angst. Bzw. stehe ich etwas ungläubig davor, weil ich feststelle, dass tatsächlich Menschen in unserem Bund denken oder davon überzeugt sind, dass wir als GJW Dinge tun, die unchristlich sind. Das bekümmert mich!

Unbekümmert kleben

Deswegen zum Schluss. Klebt unbekümmert! Das geht aber nur, wenn wir uns unseren Glauben glauben. Wenn wir davon ausgehen, dass wir alle von Christus ins Herz geschlossen sind und er uns allen wichtig ist, als Herr, Retter, Auferstandener, Lebensspender, Kraftgeber, Wunderrat, Friedefürst. Wenn wir vom Besten ausgehen. Der Klebstoff, den wir selbst als Kirche nicht haben, um den wir immer wieder bitten müssen, ist Christus durch seinen Geist. Nichts anderes verbindet uns aus meiner Sicht. Keine Position, sei sie rechts oder links oder in der guten alten Mitte. Keine Erkenntnis der Schrift, keine noch so gut formulierten Werte. Nichts davon klebt stark genug, als dass es uns beieinander halten könnte. Es ist allein Christus. Und auch hier: Egal, welches Bild wir von ihm haben, wie wir sein Leben deuten und verstehen. Denn nichts über Jesus hält uns zusammen, sondern nur er selbst als Person. Paulus konnte es den Geschwistern in Philippi sagen: „Wenn nur Christus verkündigt wird auf jede Weise ...!“ Und das wünschte ich mir auch im BEFG ganz neu. Das wir einander zugutehalten, dass wir alle Christus verkündigen. Mit Wort und Tat. Alle auf ihre Art und Weise. Mit ihren Worten und ihren Bildern. Aber es ist Christus. Ich denke weder Buße, noch Neuausrichtung oder Strukturveränderung werden den Bund erneuern. Die erneuernde Kraft, die uns hält, ist Christus allein. Wenn wir uns gemeinsam um ihn versammeln und uns glauben, dass wir ihm gemeinsam nachfolgen, dann - und aus meiner Sicht nur dann - hält zusammen, was zusammengehört. Wäre es nicht schön, wenn wir im Bund unbekümmert miteinander unterwegs sein könnten, ohne ständig Zeigefinger und Bibel hochzuhalten, sondern uns von dem Gekreuzigten und Auferstandenen begeistert senden lassen würden? Irgendwie ist mir ja danach Amen zu schreiben, aber – und jetzt macht was daraus - ich setze einen :

 

 

Udo Rehmann fühlt sich nun zu alt für das GJW, liebt Dinge, die sich kleben lassen, findet aber klebrige Sachen an Händen und Füßen sehr unangenehm.