Die GJW-Filmkritik: MARIA MAGDALENA

Worum geht’s?

Maria Magdalena (Rooney Mara) ist in ihrer Familie die einzige noch unverheiratete Frau. Als sie dazu gedrängt wird, den verwitweten Ephraim zu heiraten, geht sie alleine zum Beten in den Tempel, um bei Gott Rat und Trost zu finden – ein unabhängiger Akt, der ihr als Frau verboten ist. Die Familie glaubt, sie fortan vom Teufel besessen, und als ein Exorzismus keinen Erfolg zeigt, schicken sie nach dem Heiler, der sich gerade im Ort aufhält: Jesus (Joaquin Phoenix). In Ihm findet Maria nun die bedingungslose Annahme, nach der sie sich gesehnt hat, und beschließt – allen Widerständen ihrer Familie zum Trotz – sich dem Prediger und seinen Jüngern anzuschließen. Die jedoch sind von der Frau in ihrer Mitte alles andere als begeistert. Maria muss sich bewähren, um ihren Platz in der Gruppe zu behaupten.

Für wen ist der Film?

Regisseur Garth Davis erzählt das zweistündige filmische Porträt von Maria Magdalena mit großer Ruhe und viel Zeit für die emotionalen und spirituellen Zwischentöne der platonischen, aber doch klar durch Liebe gekennzeichneten Beziehung zwischen seiner Heldin und Jesus. Für ein Kinderpublikum bietet sowohl die Geschichte als auch ihre Dramaturgie zu wenig Anknüpfungspunkte, die mitreißen können. Da der Film aber zu großen Teilen auf die voyeuristische Darstellung von Gewalt verzichtet, ganz anders beispielsweise als Mel Gibsons „Die Passion Christi“, eignet sich „Maria Magdalena“ definitiv für ein jugendliches Publikum ab 12 Jahren.

Um was geht’s wirklich?

„Maria Magdalena“ ist in erster Linie eine Geschichte von Emanzipation, die durch den christlichen Kontext viele Fragen aufwirft. So werden Maria in dieser Geschichte dieselben Rechte zuteil wie den übrigen Aposteln. Sie tauft andere Frauen, wenn auch keine Männer, und tritt als Predigerin auf. Jesus selbst legt eine betont feministische Haltung an den Tag und predigt einer Gruppe von Frauen ihre geistige Freiheit. Damit steht „Maria Magdalena“ durchaus auch zeitgenössischen Vorstellungen von Geschlechterrollen in der Kirche entgegen und lädt dementsprechend zu Gesprächen über eben jenes Thema ein. Der Film bietet außerdem eine spannende Grundlage, um sich intensiver mit der historischen Figur Maria Magdalena zu beschäftigen, mit der Predigt von Papst Gregor I., die bis heute zu ihrer Wahrnehmung als Sünderin führt, aber auch mit der Entscheidung von Papst Franziskus, sie 2016 den Aposteln gleichzustellen.

Neben dem feministischen Subtext der Geschichte, formuliert „Maria Magdalena“ aber auch eine weitere zentrale Frage zum christlichen Glauben. Während Jesu Jünger, insbesondere Judas, in diesem Film auf die Errichtung des Königreich Gottes auf Erden als einen Akt warten, den Jesus spontan hervor bringen könne, predigt Maria am Ende eine ganz andere Interpretation seiner Lehre. „Das Königreich ist hier und jetzt“, sagt sie den Jüngern und fordert sie dazu auf, mit ihr gemeinsam durch Nächstenliebe und Gnade die Welt zu verändern – eine Position, für die sie schließlich aus der Gruppe verbannt wird. Hier treffen zwei Positionen aufeinander: Die Annahme, wir selbst könnten und sollten das Millennium errichten, und jene, die auf einen Eingriff von außen, einen göttlichen Akt wartet. Und hinter all dem steht wiederum die Frage: Wie viel Einfluss haben wir auf den Verlauf der Dinge? Worin genau besteht unsere Aufgabe als Christen und Christinnen? Sind Glaubenskriege automatisch gerechte Kriege? Wie weit darf ich mich über andere Menschen, über Nicht-Christen, erheben? Und was ist eigentlich dieses Reich Gottes, von dem alle reden?

Kinostart: 15. März 2018

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Sophie Charlotte Rieger